James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
bedächtig. Dann schaute er über den Tisch in die wachsamen, konzentrierten Augen der Frau.
»Momentan fallen mir keine anderen Punkte mehr ein, Genossin«, sagte er. »Viele Einzelheiten werden sich erst mit der Zeit ergeben und wir werden uns darum kümmern, wenn es so weit ist. Aber ich denke, die Operation kann problemlos eingeleitet werden.«
»Das sehe ich auch so, Genosse. Die Angelegenheit kann nun vorangehen. Ich werde die notwendigen Anweisungen erteilen.« Die barsche gebieterische Stimme wurde sanfter. »Ich danke Ihnen für Ihre Kooperation.«
Kronsteen neigte leicht den Kopf, um ihre Dankbarkeit anzuerkennen. Dann drehte er sich um und verließ leise den Raum.
In die Stille hinein gab das Telekrypton ein warnendes Klingeln von sich und begann mit seinem mechanischen Rattern. Rosa Klebb drehte sich auf ihrem Stuhl und griff nach einem der Telefone. Sie wählte eine Nummer.
»Einsatzraum«, meldete sich die Stimme eines Mannes.
Rosa Klebbs blasse Augen starrten durch den Raum und fixierten die pinkfarbene Form auf der Wandkarte, die England darstellte. Ihre feuchten Lippen teilten sich.
»Hier spricht Oberst Klebb. Es geht um die
konspiratsia
gegen den englischen Spion Bond. Die Operation wird unverzüglich eingeleitet.«
TEIL ZWEI
DIE AUSFÜHRUNG
DAS RUHIGE LEBEN
Die schwabbeligen Arme des ruhigen Lebens hatten sich um Bonds Hals gelegt und erwürgten ihn langsam. Er war ein Mann des Kriegs, und wenn für eine lange Zeitspanne kein Krieg herrschte, sank seine Stimmung auf den Nullpunkt. In seiner speziellen Branche hatte nun seit fast einem Jahr Frieden geherrscht. Und dieser Frieden brachte ihn um.
Am Donnerstag, dem zwölften August, erwachte Bond um sieben Uhr dreißig in seiner gemütlichen Wohnung an dem von Platanen gesäumten Platz an der King’s Road und stellte angewidert fest, dass ihn die Aussicht auf den vor ihm liegenden Tag entsetzlich langweilte. Genauso wie die Acedia in zumindest einer Religion die erste der Hauptsünden ist, war die Langeweile, und besonders der unglaubliche Umstand, bereits gelangweilt aufzuwachen, das einzige Laster, das Bond ausdrücklich verurteilte.
Bond streckte einen Arm aus und klingelte zwei Mal, um May, seiner geschätzten schottischen Haushälterin, anzuzeigen, dass er bereit für das Frühstück war. Dann schlug er mit einem Ruck die Decke von seinem nackten Körper zurück und schwang seine Füße über den Rand des Bettes.
Es gab nur eine Möglichkeit, mit Langeweile umzugehen – man musste sich selbst mit einem ordentlichen Tritt daraus befreien. Bond ließ sich auf den Boden herunter und machte zwanzig langsame Liegestütze, wobei er sich für jede einzelne möglichst viel Zeit ließ, damit seine Muskeln nicht zur Ruhe kommen konnten. Als seine Arme den Schmerz nicht länger ertragen konnten, rollte er sich auf den Rücken, legte die Arme seitlich neben seinen Körper und hob die gerade gestreckten Beine an, bis seine Bauchmuskeln vor Schmerz zu schreien schienen. Nachdem er seine Zehen zwanzig Mal berührt hatte, stand er auf und ging zu Arm- und Brustmuskelübungen über, die er mit Atemübungen kombinierte, sodass ihm irgendwann ganz schwindelig wurde. Keuchend vor Anstrengung ging er in das große, weiß gekachelte Badezimmer, stellte sich in die gläserne Duschkabine und ließ fünf Minuten lang erst heißes, dann eiskaltes Wasser über seinen Körper laufen.
Nachdem er sich schließlich rasiert und ein kurzärmeliges dunkelblaues Baumwollhemd sowie eine marineblaue Kammgarnhose angezogen hatte, schlüpfte er mit nackten Füßen in schwarze Ledersandalen und ging durchs Schlafzimmer ins Wohnzimmer mit den großen Fenstern. Zumindest für den Moment war er zufrieden damit, seine Langeweile ausgeschwitzt zu haben.
May, eine ältliche Schottin mit eisengrauem Haar und einem schönen ruhigen Gesicht, kam mit dem Tablett herein und stellte es auf den Tisch im Erkerfenster. Daneben legte sie die
Times
, die einzige Zeitung, die Bond jemals las.
Bond wünschte ihr einen guten Morgen und ließ sich zum Frühstück nieder.
»Guten Morgen-s.« (Zu einer von Mays liebenswerten Eigenschaften, die Bond sehr schätzte, gehörte die Tatsache, dass sie keinen Mann mit »Sir« ansprach, abgesehen – wie Bond ihr Jahre zuvor einmal neckend vorgehalten hatte – von englischen Königen und Winston Churchill. Als Zeichen ihrer außergewöhnlichen Achtung vor ihm, gewährte sie Bond gelegentlich die Andeutung eines »S« am Ende eines Wortes.)
Sie
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