James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
stand neben dem Tisch, während Bond seine Zeitung in der Mitte des Nachrichtenteils aufschlug.
»Gestern Abend war schon wieder dieser junge Mann wegen des Fernsehers hier.«
»Was für ein Mann war das?« Bond überflog die Überschriften der einzelnen Artikel.
»Der junge Mann, der immer kommt. Seit Juni war er schon sechs Mal hier und ist mir auf die Nerven gegangen. Man sollte meinen, er würde aufhören, zu versuchen, uns so ein Ding zu verkaufen, nachdem ich ihm schon beim ersten Mal erklärt habe, was ich von so einem Teufelsapparat halte. Und dann hat er mir auch noch Ratenzahlung angeboten!«
»Diese Vertreter sind hartnäckige Burschen.« Bond ließ seine Zeitung sinken und griff nach der Kaffeekanne.
»Ich habe ihm gestern Abend mal ordentlich die Meinung gegeigt. Die Leute beim Abendessen zu stören! Ich fragte ihn, ob er irgendwelche Papiere hätte – irgendetwas, um sich auszuweisen.«
»Schätze, das hat ihn wohl verscheucht.« Bond füllte seine große Kaffeetasse bis zum Rand mit schwarzem Kaffee.
»Von wegen. Er präsentierte mir seinen Gewerkschaftsausweis. Er meinte, er hätte jedes Recht, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der Ausweis war von der Elektrikergewerkschaft. Das sind doch die Kommunisten, nicht wahr-s?«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Bond vage. Sein Verstand fing an zu arbeiten. War es möglich, dass
sie
ein Auge auf ihn hatten? Er trank einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse ab. »Was genau hat dieser Mann gesagt, May?«, fragte er. Er ließ es gleichgültig klingen, sah aber zu ihr auf.
»Er sagte, er würde in seiner Freizeit Fernseher auf Provisionsbasis verkaufen. Und ob wir sicher wären, dass wir keinen wollten. Er meinte, wir seien die einzigen Leute am Platz, die keinen hätten. Er hat wohl gesehen, dass wir keins von diesen Antennendingern auf dem Dach haben. Er fragt immer, ob Sie zu Hause sind, damit er sich mal mit Ihnen darüber unterhalten kann. Was für eine Frechheit! Es wundert mich, dass er noch nicht daran gedacht hat, Sie abzufangen, wenn Sie nach Hause kommen oder morgens zur Arbeit gehen. Er fragt jedes Mal, ob ich Sie bald erwarte. Natürlich erzähle ich ihm nichts von Ihren Arbeitszeiten oder Gewohnheiten. Er ist eigentlich ein ganz respektabler, freundlicher Mensch, wenn er nur nicht so hartnäckig wäre.«
Könnte sein, dachte Bond. Es gibt viele Möglichkeiten, herauszufinden, ob der Besitzer einer Wohnung zu Hause oder unterwegs ist. Das Auftreten und die Reaktionen eines Bediensteten – ein Blick durch die offene Tür. »Tja, Sie verschwenden Ihre Zeit, weil er nicht zu Hause ist«, wäre sicher die offensichtlichste Auskunft, wenn die Wohnung leer war. Sollte er diesen Vorfall der Sicherheitsabteilung melden? Bond zuckte gereizt mit den Schultern. Zum Teufel damit. Vermutlich hatte es gar nichts zu bedeuten. Warum sollten
sie
an ihm interessiert sein? Und wenn doch etwas dahintersteckte, würde die Sicherheitsabteilung dafür sorgen, dass er die Wohnung wechseln konnte.
»Ich vermute, Sie haben ihn diesmal endgültig vertrieben.« Bond lächelte May zu. »Ich denke, der wird Sie nicht noch einmal belästigen.«
»Ja-s«, sagte May zweifelnd. Immerhin hatte sie sich an seine Anweisung gehalten, ihm davon zu erzählen, wenn sie irgendjemanden »in der Nähe herumlungern sah«. Mit einem Rascheln ihrer altmodischen schwarzen Haushälterinnenuniform, die sie selbst in der Augusthitze beharrlich trug, verließ sie eilig den Raum.
Bond widmete sich wieder seinem Frühstück. Normalerweise waren es kleine Ungereimtheiten wie diese, die seinen Verstand in Gang brachten, und an anderen Tagen wäre er nicht zufrieden gewesen, bevor er das Rätsel des Mannes von der Kommunistengewerkschaft, der immer wieder zu seiner Wohnung kam, gelöst hatte. Doch nun war das Schwert in der Scheide nach Monaten der Untätigkeit und der Nichtnutzung rostig geworden, und Bonds geistige Wachsamkeit hatte nachgelassen.
Das Frühstück war Bonds Lieblingsmahlzeit des Tages. Wenn er sich in London aufhielt, war es immer das gleiche. Es bestand aus sehr starkem Kaffee von De Bry in der New Oxford Street, der in einer amerikanischen Chemex-Karaffe aufgebrüht wurde. Davon trank er zwei große Tassen, schwarz und ohne Zucker. Das einzelne Ei, das in dem dunkelblauen Eierbecher mit dem goldenen Ring um den Rand serviert wurde, war genau dreieindrittel Minuten lang gekocht worden.
Es handelte sich um ein sehr frisches gesprenkeltes braunes Ei von
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