James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
schlängelte. Bond lehnte sich neben ihm ans Geländer. Kerim blickte in die Reflexion von Bonds Gesicht im dunklen Fenster und sagte leise: »Ich habe keine guten Neuigkeiten. Drei ihrer Männer befinden sich mit im Zug.«
»Ah!« Ein Schauer lief Bond über den Rücken.
»Es sind die drei Fremden, die wir in diesem Raum gesehen haben. Sie wurden offensichtlich auf Sie und das Mädchen angesetzt.« Kerim warf ihm einen Seitenblick zu. »Das macht sie zu einer Doppelagentin, oder?«
Bond blieb gefasst. Also war das Mädchen nur ein Köder gewesen. Und doch … und doch … Nein, verdammt. Sie konnte das alles nicht vorspielen. Das war nicht möglich. Die Chiffriermaschine? Vielleicht war sie gar nicht in dieser Tasche. »Warten Sie bitte eine Minute«, sagte er. Dann drehte er sich um und klopfte sanft an die Tür. Er hörte, wie sie aufschloss und die Kette zurückschob. Er ging hinein und schloss die Tür. Sie wirkte überrascht. Sie hatte den Schaffner erwartet, der kommen sollte, um die Betten zu machen.
Sie strahlte ihn an. »Bist du schon fertig?«
»Setz dich, Tatjana. Ich muss mit dir reden.«
Nun sah sie die Kälte in seinem Gesicht, und ihr Lächeln erstarb. Gehorsam setzte sie sich hin und legte die Hände in den Schoß.
Bond stand vor ihr. War das Schuld in ihrem Blick, oder Angst? Nein, nur Überraschung und eine Kälte, die seinem eigenen Ausdruck entsprach.
»Hör mal zu, Tatjana.« Bonds Stimme war eiskalt. »Es ist etwas geschehen. Ich muss einen Blick in diese Tasche werfen und sehen, ob die Maschine darin ist.«
Sie antwortete ihm gleichgültig: »Hol sie runter und schau rein.« Sie starrte auf die Hände in ihrem Schoß. Jetzt würde es also passieren. Genau wie ihr Chef gesagt hatte. Sie würden sich die Maschine nehmen und sie zurücklassen, sie vielleicht sogar aus dem Zug schmeißen. Oh Gott. Dieser Mann würde ihr das antun.
Bond hievte den schweren Koffer aus dem Gepäckfach und stellte ihn auf den Sitz. Er zog die seitlichen Reißverschlüsse auf und sah hinein. Ja, es handelte sich um ein graues Metallobjekt mit drei Tastenreihen, ähnlich einer Schreibmaschine. Er hielt ihr die offene Tasche hin. »Ist das eine Spektor-Maschine?«
Sie warf einen kurzen Blick hinein. »Ja.«
Bond schloss die Tasche wieder und stellte sie ins Gepäckfach zurück. Dann setzte er sich neben das Mädchen. »Im Zug befinden sich drei MGB-Männer. Wir wissen, dass es diejenigen sind, die am Montag in eurem Zentrum aufgetaucht sind. Was machen sie hier, Tatjana?« Bonds Stimme war sanft. Er beobachtete sie und durchleuchtete sie mit allen Sinnen.
Sie sah auf. In ihren Augen standen Tränen. Waren es die Tränen eines Kindes, dem man auf die Schliche gekommen war? Aber in ihrem Gesicht war keine Spur von Schuld zu erkennen. Sie wirkte nur verängstigt.
Sie streckte eine Hand aus, zog sie jedoch wieder zurück. »Du wirst mich doch jetzt, wo du die Maschine hast, nicht aus dem Zug werfen?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Bond ungeduldig. »Sei nicht albern. Aber wir müssen wissen, warum diese Männer im Zug sind. Worum geht es hier? Wusstest du, dass sie im Zug sein würden?« Er versuchte, in ihrem Gesichtsausdruck einen Hinweis zu entdecken. Doch alles, was er erkennen konnte, war große Erleichterung. Und was sonst noch? Berechnung? Zurückhaltung? Ja, sie verbarg etwas. Aber was?
Tatjana schien sich entschieden zu haben. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Dann legte sie ihre Hand auf sein Knie. Auf ihrer Hand glänzten die Tränen. Sie blickte in Bonds Augen und zwang ihn dazu, ihr zu glauben.
»James«, sagte sie. »Ich wusste nicht, dass diese Männer im Zug sein würden. Mir wurde gesagt, dass sie heute abreisen. Nach Deutschland. Ich nahm an, dass sie fliegen würden. Mehr kann ich dir nicht sagen. Bis wir in England ankommen und uns außerhalb der Reichweite meiner Leute befinden, darfst du mich nichts anderes mehr fragen. Ich habe getan, was ich gesagt habe. Ich bin mit der Maschine hier. Vertrau mir doch. Hab keine Angst um uns. Ich bin sicher, dass uns diese Männer nichts tun werden. Absolut sicher. Vertrau mir.« (War sie sich wirklich so sicher?, fragte sich Tatjana. Hatte die Klebb ihr die ganze Wahrheit erzählt? Aber auch sie musste Vertrauen haben – Vertrauen in die Befehle, die man ihr erteilt hatte. Diese Männer mussten die Bewacher sein, die aufpassen sollten, dass sie den Zug nicht verließ. Sie würden ihr nichts tun. Später, wenn sie in London
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