James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
einem kurzen Blick auf das Schloss, entriegelte er den Kleiderschrank. Behutsam hob er seinen Koffer heraus und stellte ihn in der Mitte des Zimmers auf den Boden. Dann kniete er sich hin und suchte nach den Spuren des Talkumpuders, den er um die beiden Schlösser verteilt hatte. Der Puder war verwischt und Bond konnte um die Schlüssellöcher herum winzige Kratzer erkennen. Diese Leute waren nicht so sorgsam gewesen wie andere, mit denen er zuvor zu tun gehabt hatte. Er schloss den Koffer auf und öffnete ihn. Unter dem Bezugstoff des Deckels befanden sich in der oberen rechten Ecke vier unauffällig aussehende Kupferbolzen. Mit einem Fingernagel löste Bond den Deckel von einem der Bolzen, zog einen Meter Drahtseil heraus und legte es neben sich auf den Boden. Dieser Draht war in engen Schlaufen durch den ganzen Deckel geführt und verschloss den Koffer. Bond nahm die Abdeckung ab und überprüfte, ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Aus seinem »Werkzeugkasten« nahm er eine Juwelierlupe, ging damit ins Badezimmer zurück und schaltete das Licht über dem Rasierspiegel ein. Dann klemmte er sich die Lupe vors Auge, nahm die Nektarine aus dem Waschbecken und begann, sie langsam zwischen Zeigefinger und Daumen zu drehen.
Bond hielt inne. Er hatte ein winziges, höchstens stecknadelgroßes Loch gefunden, dessen Rand ein helles Braun angenommen hatte. Es befand sich in der Vertiefung, wo die Frucht zuvor am Baum gehangen hatte, und war für das bloße Auge praktisch unsichtbar. Bond legte die Nektarine vorsichtig ins Waschbecken zurück. Einen Moment lang stand er da und starrte nachdenklich in den Spiegel.
Es herrschte also
tatsächlich
Krieg. So, so. Sehr interessant. Bond spürte, wie sich sein Magen leicht verkrampfte. Er warf seinem Spiegelbild ein schwaches Lächeln zu. Also hatten sein Instinkt und sein Urteilsvermögen richtiggelegen. Strangways und die Frau waren umgebracht und ihre Aufzeichnungen zerstört worden, weil sie auf einer heißen Spur gewesen waren. Dann war Bond aufgetaucht, und dank Miss Taro hatten sie bereits auf ihn gewartet. Miss Chung, und vielleicht auch der Taxifahrer, hatten die Fährte aufgenommen. Man hatte ihn bis ins Blue Hills Hotel verfolgt und den ersten Schuss abgegeben. Weitere würden folgen. Und wessen Finger war am Abzug? Wer hatte ihn so sorgfältig im Blick behalten? Es gab zwar keine Beweise, aber Bond war fest davon überzeugt, dass es sich um einen Distanzschuss von Crab Key aus handelte. Der Mann hinter der Waffe war Doktor No.
Bond ging ins Schlafzimmer zurück. Stück für Stück brachte er das Obst ins Badezimmer und untersuchte es mit seiner Lupe. Der Nadelstich war immer da, verborgen in der Stielvertiefung oder einer Falte. Bond rief die Rezeption an und bat um eine Kiste, Papier und Faden. Er packte das Obst sorgfältig in die Kiste, nahm den Telefonhörer ab und rief das King’s House an. Er fragte nach dem Vizegouverneur. »Sind Sie das, Pleydell-Smith? Hier ist James Bond. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Ich habe hier ein kleines Problem. Gibt es in Kingston ein Analyselabor? Ich verstehe. Nun, ich habe etwas, das ich gerne analysieren lassen würde. Wenn ich Ihnen die Kiste schicken lasse, wären Sie dann so nett, sie an diesen Mann weiterzuleiten? Ich möchte nicht, dass mein Name ins Spiel gebracht wird. Alles klar? Ich erkläre Ihnen alles später. Würden Sie mir ein Telegramm mit der Kurzfassung schicken, sobald Sie seinen Bericht bekommen? Ich werde in Beau Desert sein, drüben bei Morgan’s Harbour, wahrscheinlich die ganze nächste Woche über. Es wäre gut, wenn Sie auch das für sich behalten könnten. Tut mir wirklich leid, dass ich so verdammt geheimnisvoll tun muss. Ich werde Ihnen alles erklären, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Ich nehme an, dass Sie schon eine Ahnung haben werden, wenn Sie die Laborergebnisse sehen. Sagen Sie ihnen bitte auch, dass sie die Proben sehr vorsichtig behandeln sollen. Es könnte sein, dass mehr in ihnen steckt, als man auf den ersten Blick sieht. Herzlichen Dank. Ein Glück, dass ich Sie heute Morgen kennenlernen durfte. Auf Wiederhören.«
Bond adressierte das Paket, ging in die Lobby und gab einem Taxifahrer Geld, um das Paket zum King’s House zu bringen. Dann kehrte er zu seinem Zimmer zurück, nahm eine Dusche, zog sich um und bestellte seinen ersten Drink. Er wollte damit gerade auf den Balkon gehen, als das Telefon klingelte. Es war Quarrel.
»Es ist alles vorbereitet,
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