James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
Cap’n.«
»Alles? Das ist ja wunderbar. Mit dem Haus hat auch alles geklappt?«
»Alles vorbereitet«, wiederholte Quarrel. »Dann treffen wir uns wie verabredet, Cap’n.«
»Gut«, sagte Bond. Quarrels Effizienz beeindruckte ihn und verschaffte ihm ein Gefühl der Sicherheit. Er legte den Hörer auf und ging auf den Balkon.
Die Sonne ging gerade unter. Violette Schatten krochen auf die Stadt und den Hafen zu. Wenn sie die Stadt erreichen, dachte Bond, gehen die Lichter an. Es geschah, wie er erwartet hatte. Über sich hörte er ein Flugzeug. Es kam in Sicht. Es handelte sich um eine Super Constellation, den gleichen Flieger, mit dem Bond am Abend zuvor hergekommen war. Bond sah, wie die Maschine aufs Meer hinausflog, drehte und in den Landeanflug auf den Palisadoes-Flughafen ging. Wie viel er seit diesem Moment vor erst vierundzwanzig Stunden doch schon erreicht hatte, als die Luke des Flugzeugs aufgesprungen war und die Stimme aus dem Lautsprecher gesagt hatte: »Willkommen in Kingston, Jamaika. Bitte bleiben Sie sitzen, bis das Gesundheitsamt die Maschine freigegeben hat.«
Sollte er M mitteilen, wie sehr sich das Bild gewandelt hatte? Sollte er dem Gouverneur Bericht erstatten? Bond dachte an seine Begegnung mit dem Gouverneur zurück und verwarf die Idee. Aber was war mit M? Bond hatte seinen eigenen Code. Er konnte M einfach ein Telegramm über das Kolonialbüro schicken. Was würde er M sagen? Dass ihm Doktor No vergiftetes Obst geschickt hatte? Aber er wusste ja noch gar nicht genau, ob es tatsächlich vergiftet gewesen war, oder ob der Korb überhaupt von Doktor No stammte. Bond sah bereits bildlich vor sich, wie M einen Knopf auf der Gegensprechanlage drückte und sagte: »Stabschef, 007 ist offensichtlich durchgedreht. Er behauptet, dass ihm jemand eine vergiftete Banane geschickt hat. Der Bursche hat wohl die Nerven verloren. War zu lange im Krankenhaus. Am besten rufen wir ihn nach Hause.«
Bond schmunzelte. Er stand auf und bestellte sich einen weiteren Drink beim Zimmerservice. Ganz genau so würde es natürlich nicht ablaufen. Aber dennoch … Nein, er würde warten, bis er ein wenig mehr in der Hand hatte. Aber falls etwas schiefgehen sollte und er keine Warnung geschickt hatte, würde er in Schwierigkeiten stecken. Also lag es an ihm, dafür zu sorgen, dass nichts schiefging.
Bond trank seinen zweiten Drink und dachte über die Einzelheiten seines Plans nach. Dann ging er nach unten, aß im halb verlassenen Speisesaal zu Abend und las im
Handbuch der Westindischen Inseln
. Um einundzwanzig Uhr war er todmüde. Er kehrte in sein Zimmer zurück und packte seinen Koffer für den nächsten Morgen. Dann rief er bei der Rezeption an und bat darum, um fünf Uhr dreißig geweckt zu werden. Zu guter Letzt verschloss er von innen die Tür und schloss und verriegelte die Jalousien vor dem Fenster. Das würde eine heiße, stickige Nacht bedeuten. Aber das ließ sich nicht ändern. Bond legte sich nackt unter die dünne Bettdecke und drehte sich auf seine linke Seite. Seine rechte Hand glitt auf den Griff der Walther PPK unter dem Kissen. Innerhalb von fünf Minuten war er eingeschlafen.
Als Bond aufwachte, war es drei Uhr morgens, wie ihm das selbstleuchtende Ziffernblatt seiner Uhr direkt neben seinem Gesicht verriet. Er lag vollkommen still da. Im Raum war kein Laut zu hören. Er spitzte die Ohren. Draußen war es ebenfalls totenstill. Irgendwo in der Ferne fing ein Hund an zu bellen. Andere Hunde stimmten mit ein, und ihr Gebell wurde zu einem kurzen, hysterischen Chor, der so plötzlich aufhörte, wie er begonnen hatte. Dann war es wieder still. Mondlicht drang durch die Schlitze der Jalousien und warf helle und dunkle Streifen in die Ecke des Zimmers neben seinem Bett. Es war, als ob er in einem Käfig liegen würde. Was hatte ihn aufgeweckt? Bond bewegte sich leicht und wollte gerade aus dem Bett steigen.
Dann erstarrte er plötzlich.
Etwas hatte sich an seinem rechten Knöchel gerührt. Jetzt bewegte es sich an der Innenseite seines Schienbeins hinauf. Bond konnte spüren, wie etwas die Haare an seinem Bein streifte. Es musste sich um eine Art Insekt handeln. Ein sehr großes. Es war lang, bestimmt zwanzig Zentimeter – so lang wie seine Hand. Er fühlte, wie Dutzende winziger Füße über seine Haut wanderten. Was war das nur?
Dann hörte Bond etwas, das er noch niemals zuvor gehört hatte. Bond analysierte das Geräusch. Das konnte nicht sein! Das konnte doch einfach nicht sein! Doch, es
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