James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

ebenfalls.
    Quarrel mietete ein Kanu, und sie verbrachten drei Tage damit, herumzufahren. Es war ein einfacher Einbaum aus Kapokbaumholz. Es gab zwei schmale Ruderbänke und ein kleines Segel aus schmutzigem Stoff. Es war nicht mehr als ein schlichtes Behelfskanu. Doch Quarrel war sehr zufrieden damit.
    »Sieben, acht Stunden, Cap’n«, sagte er. »Dann holen wir das Segel ein und benutzen die Paddel. So bieten wir dem Radar ein kleineres Ziel.«
    Das Wetter hielt sich. Die Voraussage des Radiosenders in Kingston war gut. Die Nächte waren schwarz wie die Sünde. Die beiden Männer bereiteten sich vor. Bond wählte eine einfache schwarze Jeans und ein dunkelblaues Hemd sowie robuste Stoffschuhe.
    Der letzte Abend kam. Bond war froh, dass es endlich so weit war. Er hatte das Trainingslager nur einmal verlassen – um die Ausrüstung zu besorgen und Quarrels Lebensversicherung abzuschließen – und lechzte danach, endlich wieder in Aktion zu treten. Er musste zugeben, dass ihn die Aussicht auf dieses Abenteuer begeisterte. Es hatte genau die richtigen Zutaten – körperliche Anstrengung, ein Geheimnis und einen skrupellosen Feind. Er hatte einen guten Gefährten und war in einer gerechten Sache unterwegs. Und vielleicht würde er später sogar die Gelegenheit haben, M die Bemerkung über Urlaub in der Sonne unter die Nase zu reiben. Das wurmte ihn immer noch. Bond mochte es nicht, verhätschelt zu werden.
    Die Sonne sank herrlich strahlend in ihr Grab hinab.
    Bond ging in sein Schlafzimmer, holte seine beiden Waffen hervor und betrachtete sie. Keine von beiden war ein Teil von ihm, so wie es die Beretta gewesen war – eine Erweiterung seiner rechten Hand –, aber er hatte bereits festgestellt, dass sie bessere Waffen waren. Welche sollte er mitnehmen? Bond schätzte ihr Gewicht nacheinander in der Hand ab. Es musste der schwerere Smith & Wesson sein. Auf Crab Key würde es keine Schusswechsel auf kürzere Distanz geben. Wenn überhaupt, würde er aus großer Entfernung schießen müssen. Der brutale, plumpe Revolver hatte der Walther zusätzliche dreiundzwanzig Meter Reichweite voraus. Bond befestigte das Holster im Bund seiner Jeans und steckte die Waffe hinein. In seine Tasche steckte er zwanzig Reservepatronen. War es übervorsichtig, dieses ganze Metall mitzunehmen, wenn ihnen womöglich nicht mehr als ein tropisches Picknick bevorstand?
    Bond ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche Canadian Club Whisky, Eiswürfel und Sodawasser heraus. Dann setzte er sich in den Garten und sah zu, wie die letzten Sonnenstrahlen erstarben.
    Die Schatten krochen über das Haus und marschierten über den Rasen, um ihn zu umfangen. Der Hauch des Totengräbers, der bei Nacht von der Insel Richtung Meer wehte, rasselte leise in den Wipfeln der Palmen. Im Unterholz fingen die Frösche an zu quaken. Die Glühwürmchen, die »Blinkblinks«, wie Quarrel sie nannte, kamen hervor und begannen mit ihren sexuellen Morsezeichen. Einen Moment lang ergriff die Melancholie der tropischen Dämmerung Bonds Herz. Er hob die Flasche an und betrachtete sie. Er hatte etwa ein Viertel getrunken. Er schüttete einen weiteren großen Schluck ins Glas und fügte etwas Eis hinzu. Warum trank er? Wegen der fünfzig Kilometer schwarzer See, die er heute Nacht überqueren musste? Weil er sich ins Unbekannte wagte? Wegen Doktor No?
    Quarrel kehrte vom Strand zurück. »Es ist so weit, Cap’n.«
    Bond kippte seinen Drink hinunter und folgte dem Kaiman-Insulaner zum Boot. Sein Bug lag auf dem Sand, während der Rest sanft im Wasser schaukelte. Quarrel stieg hinein und setzte sich nach hinten, während Bond in den Raum zwischen der vorderen Ruderbank und dem Bug kletterte. Das Segel, das ordentlich um den Mast gewickelt war, befand sich in seinem Rücken. Bond nahm sein Paddel in die Hand und stieß das Boot ab. Langsam drehten sie sich und steuerten durch das Riff aufs Meer hinaus. Sie paddelten im Einklang und drehten die Paddel in ihren Händen, um beim Schlag nach vorne kein Wasser zu verdrängen. Kleine Wellen plätscherten sanft gegen den Bug. Darüber hinaus verursachten sie keine Geräusche. Es war dunkel. Niemand sah sie. Sie verließen einfach das Land und begaben sich aufs Meer.
    Bonds einzige Aufgabe bestand darin, zu paddeln. Quarrel übernahm das Manövrieren. Am Ende des Riffs erzeugten gegensätzliche Strömungen sowohl einen Strudel als auch einen Sog, und sie befanden sich mittendrin, zwischen den Felsen und Korallen, die wie Fangzähne