James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
fünftausend Pfund. Also, wie sollen wir es anstellen? Mit dem Kanu?«
»Genau, Cap’n.« Quarrels Stimme war zögerlich. »Wir brauchen eine ruhige See und einen leichten Wind. Wir müssen in die nordöstlichen Passatwinde gelangen. Und es sollte eine dunkle Nacht sein. Die fangen gerade an. Am Ende der Woche wird der Mond kaum noch zu sehen sein. Wo wollen Sie denn landen, Cap’n?«
»An der Südküste in der Nähe der Flussmündung. Dann folgen wir dem Fluss hinauf zum See. Ich bin sicher, dass dort das Lager der Wächter gewesen ist. Weil es an der Stelle frisches Wasser gibt und man von dort zum Meer gelangt, um zu angeln.«
Quarrel brummte wenig überzeugt. »Und wie lange werden wir dort bleiben? Wir können nicht viele Vorräte mitnehmen. Brot, Käse, Pökelfleisch. Kein Tabak – wir dürfen nicht riskieren, dass man den Rauch oder die Glut sieht. Das ist ein furchtbar raues Land dort, Cap’n. Nur Sumpf und Mangroven.«
»Planen wir für etwa drei Tage«, erwiderte Bond. »Das Wetter könnte umschlagen und uns für ein oder zwei Nächte davon abhalten, die Insel wieder zu verlassen. Ein paar gute Jagdmesser. Ich nehme meinen Revolver mit. Man weiß ja nie.«
»Das stimmt, Sir«, sagte Quarrel nachdrücklich. Er verfiel in nachdenkliches Schweigen, das anhielt, bis sie Port Maria erreicht hatten.
Sie fuhren durch die kleine Stadt und die Landspitze entlang nach Morgan’s Harbour. Es sah noch immer genauso aus, wie Bond es in Erinnerung hatte – die zuckerhutförmige Isle of Surprise, die in der ruhigen Bucht aufragte, die Kanus, die neben den Haufen leerer Muschelschalen angebunden waren, das entfernte Rauschen der Brandung am Riff, das beinahe zu seinem Grab geworden wäre. In seine Erinnerungen versunken steuerte Bond den Wagen auf die kleine Nebenstraße und durch die Zuckerrohrfelder, aus deren Mitte die finstere Ruine des alten Herrenhauses der Beau-Desert-Plantage wie eine gestrandete Galeone aufragte.
Sie kamen an das Tor, das zum Bungalow führte. Quarrel stieg aus und öffnete es. Bond fuhr hindurch und hielt auf dem Hof hinter dem weißen, eingeschossigen Gebäude. Es war sehr ruhig. Bond ging um das Haus herum und über den Rasen zum Strand hinunter. Ja, dort war er, der tiefe, stille Streifen Wasser – wo er seinen unterseeischen Weg zur Isle of Surprise begonnen hatte. Manchmal hatte er deswegen immer noch Albträume.
Bond stand da, schaute aufs Wasser hinaus und dachte an Solitaire, das Mädchen, das er verletzt und blutend aus diesem Meer gerettet hatte. Er hatte sie über den Rasen zum Haus getragen. Was war mit ihr geschehen? Wo war sie? Bond drehte sich um und ging zum Bungalow zurück, um die Geister der Vergangenheit zu verscheuchen.
Es war acht Uhr dreißig. Bond packte seine wenigen Habseligkeiten aus und zog sich eine kurze Hose und Sandalen an. Schon bald verbreitete sich der köstliche Duft von Kaffee und brutzelndem Speck im Haus. Sie frühstückten, während Bond seinen Trainingsablauf festlegte – aufstehen um sieben, eine Runde schwimmen, frühstücken, eine Stunde Sonnenbaden, anderthalb Kilometer Laufen, noch eine Runde schwimmen, Mittagessen, Mittagsschlaf, Sonnenbaden, schwimmen, ein heißes Bad und eine Massage, Abendessen und um einundzwanzig Uhr schlafen gehen.
Nach dem Frühstück begann das Training.
Nichts unterbrach die mühsame Woche, mit Ausnahme eines kurzen Artikels im
Daily Gleaner
und eines Telegramms von Pleydell-Smith. Im
Gleaner
hatte gestanden, dass ein Sunbeam Talbot mit dem Kennzeichen H 2473 in einen tödlichen Unfall auf dem Devil’s Racecourse verwickelt gewesen sei, einer gewundenen Straße zwischen Spanish Town und Ocho Rios auf der Strecke zwischen Kingston und Montego. Ein außer Kontrolle geratener Lastwagen, dessen Fahrer noch nicht identifiziert werden konnte, war mit dem Sunbeam zusammengeprallt, als dieser um eine Kurve gebogen war. Beide Fahrzeuge waren von der Straße in die Schlucht hinabgestürzt. Die beiden Personen im Sunbeam, Ben Gibbons aus der Harbour Street und Josiah Smith, keine Adresse, waren dabei getötet worden. Ein Mr Bond, ein englischer Tourist, der den Wagen geliehen hatte, wurde gebeten, sich bei der nächsten Polizeistation zu melden.
Bond verbrannte die Zeitung. Er wollte Quarrel nicht beunruhigen.
In dem Telegramm von Pleydell-Smith stand:
IN JEDEM OBJEKT WAR GENÜGEND ZYANID UM EIN PFERD ZU TÖTEN STOPP SCHLAGE VOR IHREN OBSTHÄNDLER ZU WECHSELN STOPP VIEL GLÜCK SMITH
Das Telegramm verbrannte Bond
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