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James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

Titel: James Bond 06 - Dr. No (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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die Strecke allein im Kanu hin- und zurückzufahren. Und ihr schien klar zu sein, dass es sich um einen gefährlichen Ort handelte. »Man hat mich hier noch nie erwischt.« Was für ein außergewöhnliches Mädchen. Bonds Herz klopfte schneller, und er verspürte Erregung, als er an sie dachte. Er hatte, wie das bei ihm so oft bei Menschen mit Missbildungen der Fall war, ihre gebrochene Nase bereits fast wieder vergessen. Dieser Umstand hatte sich irgendwie hinter der Erinnerung an ihre Augen, den Mund und ihren unglaublichen Körper versteckt. Ihre herrische Art und angriffslustige Haltung waren aufregend. Wie sie nach ihrem Messer gegriffen hatte, um sich zu verteidigen! Sie kam ihm vor wie ein Tier, dessen Junges bedroht war. Wo lebte sie? Wo waren ihre Eltern? Sie wirkte irgendwie vernachlässigt – wie ein Hund, den niemand kraulen wollte. Wer war sie?
    Bond hörte ihre Schritte im Sand. Er drehte sich zu ihr um. Was sie nun trug, waren nicht mehr als ein paar Lumpen – ein verblichenes braunes Hemd mit zerrissenen Ärmeln und ein knielanger geflickter brauner Baumwollrock, der von dem Ledergürtel mit dem Messer an Ort und Stelle gehalten wurde. Über ihrer Schulter hing ein Seesack aus Segeltuch. Sie sah aus, als hätte sie sich für ein Kostümfest als Robinson Crusoe verkleidet.
    Sie ging auf die Knie und begann, die Muscheln in ihren Seesack zu stopfen.
    »Sind die selten?«, fragte Bond.
    Sie hockte sich hin, sah zu ihm hoch und betrachtete sein Gesicht. Offenbar war sie mit dem, was sie sah, zufrieden. »Schwörst du, es niemandem zu sagen? Versprochen?«
    »Versprochen«, sagte Bond.
    »Ja, sie sind selten. Sehr selten. Für ein schönes Exemplar kann ich fünf Dollar bekommen. In Miami. Dorthin verkaufe ich sie. Sie heißen
Venus elegans
– die elegante Venus.« Ihre Augen funkelten ihn aufgeregt an. »Heute Morgen habe ich das gefunden, wonach ich gesucht habe. Die Stelle, an der sie leben.« Sie deutete in Richtung Meer. »Du würdest die Stelle sowieso nicht finden«, fügte sie mit plötzlicher Vorsicht hinzu. »Sie liegt sehr tief und gut versteckt. Ich bezweifle, dass du so tief tauchen könntest. Und außerdem werde ich die Stelle ohnehin heute ausräumen.« Sie grinste. »Wenn du hierher zurückkämst, wären eh nur noch die schlechten da.«
    Bond lachte. »Ich verspreche, dass ich dir keine stehlen werde. Ich weiß überhaupt nichts über Muscheln. Ehrenwort.«
    Nachdem sie alle Exemplare in ihren Seesack befördert hatte, stand sie auf. »Was ist mit diesen Vögeln, von denen du gesprochen hast? Um welche geht es? Sind die ebenfalls wertvoll? Ich werde auch nichts verraten, wenn du es mir sagst. Ich sammle nur Muscheln.«
    »Sie heißen Rosalöffler«, erwiderte Bond. »Sehen aus wie rosafarbene Störche mit flachen Schnäbeln. Hast du schon mal welche gesehen?«
    »Ach
die
«, sagte sie verächtlich. »Von denen gab es hier früher Tausende. Aber jetzt nicht mehr. Sie wurden alle verscheucht.« Sie setzte sich auf den Sand und schlang die Arme um ihre Knie. Sie schien stolz auf ihr überlegenes Wissen zu sein und war offenbar inzwischen davon überzeugt, dass sie von diesem Mann nichts zu befürchten hatte.
    Bond setzte sich einen Meter entfernt neben sie. Er drehte sich zu ihr um, streckte sich aus und stützte sich auf seinen Ellbogen. Er wollte die Picknickatmosphäre bewahren und mehr über dieses seltsame schöne Mädchen herausfinden. Also meinte er beiläufig: »Ach, wirklich. Was ist passiert? Wer hat sie verscheucht?«
    Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Die Leute hier waren das. Ich weiß nicht, wer sie sind. Es gibt da einen Chinesen. Er scheint Vögel nicht besonders zu mögen. Er hat einen Drachen. Den hetzt er auf die Vögel und verscheucht sie damit. Der Drache verbrennt ihre Nistplätze. Früher gab es immer zwei Männer, die bei den Vögeln gelebt und sich um sie gekümmert haben. Aber sie wurden auch verjagt, vielleicht sogar getötet.«
    Das alles schien für sie vollkommen natürlich zu sein. Sie antwortete gleichgültig und blickte dabei aufs Meer hinaus.
    Bond hakte nach: »Der Drache. Wie sieht er aus? Hast du ihn schon mal selbst gesehen?«
    »Ja, das habe ich.« Sie verdrehte ihre Augen und zog eine Grimasse, als müsste sie bittere Medizin herunterschlucken. Dann sah sie Bond ernst an, damit er verstand, was sie meinte. »Ich komme seit etwa einem Jahr her, suche nach Muscheln und erforsche die Insel. Die hier«, sie deutete auf die Muscheln am Strand,

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