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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ruhen, worauf es im Atelier totenstill wurde. Robin nahm die Kopfhörer ab. Der Mann entfernte das Kabel zum Verstärker, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und legte das Instrument vorsichtig auf einen Ständer. Er strahlte.
    »Sie ist fantastisch«, sagte er.
    Er war ungefähr in meinem Alter, hohlwangig, blass und hatte einen leicht gequälten Gesichtsausdruck. Sein Haar war schwarz gefärbt, lang und zottelig. Er trug über der eingefallenen, haarlosen Brust eine blaugrüne Lederweste und knallrote Fallschirmhosen. Auf einer seiner knochigen Schultern war eine kleine rosafarbene Tätowierung zu sehen. Die Schuhe hatten hohe Absätze und passten zu der Hose. Aus einer der Westentaschen hing eine halbe Packung Camel heraus. Er nahm die Zigarette aus dem Mund, drückte sie aus, nahm sich eine neue und zündete sie an.
    »Billy, das ist Alex Delaware, Alex, Billy Orleans.«
    Der Rockstar streckte mir seine lange, schwielige Hand entgegen und lächelte. Die Fingernägel seiner Rechten waren lang wegen des besseren Pickings, in einen seiner oberen Schneidezähne war ein Diamant eingelassen.
    »Sie sind also Alex, der Irrenarzt. Wir könnten Sie gut auf unserer Tournee brauchen, die Band ist in einem schlimmen Zustand.«
    Ich lächelte zurück. »Ich bin eigentlich auf Kinder spezialisiert.«
    »Das ist es ja gerade! Wie ich schon sagte, die Jungens sind vollkommen meschugge, albern und kindisch.«
    Nun wandte er sich Robin zu und sagte:
    »Fee mit den Zauberhänden, das Ding ist fantastisch, irgendwas müssen Sie noch am Hauptverstärker machen, damit die hohen Frequenzen besser durchschlagen. Bis wann kann das fertig sein?«
    »Wäre es Ihnen am Dienstag recht?«
    »Ja, ich fliege nach San Francisco, um meine Eltern zu besuchen, Freitag bin ich wieder hier, weil abends mein Konzert ist. Ich schicke Jackie oder einen von der Band vorbei, um das Instrument abzuholen. Und jetzt kommt der schöne Teil der Unternehmung.« Er öffnete den Reißverschluss einer der zahlreichen Taschen an seinen Hosen und zog ein Bündel Hundertdollarnoten heraus.
    »Der schnöde Mammon«, sagte er, nahm etwa dreißig Geldscheine und gab sie Robin. Das Bündel wurde nicht sehr viel kleiner. »Ist es in Ordnung so?«
    »Das sind dreihundert zu viel«, sagte Robin, zählte noch einmal nach und gab ihm drei Scheine zurück.
    »Behalten Sie’s, Leute, die so hervorragend arbeiten wie Sie, sind so selten. Außerdem kann ich’s absetzen.«
    Er ordnete die Geldscheine und schob das Bündel von einer Hand in die andere.
    »Laufen Sie nicht damit auf der Straße rum«, sagte Robin.
    Er lachte und steckte das Geld weg.
    »Das wäre wohl ziemlich geschmacklos, oder?«
    »Ich dachte eher daran, dass es gefährlich wäre.«
    »Oh, natürlich, ich kann es mir vorstellen.« Er zuckte die Achseln. »Aber dafür habe ich ja Jackie. Er ist kugelsicher und schneller als eine Lokomotive. Zum Frühstück isst er Nägel. Ich habe ihn nach der John-Lennon-Geschichte eingestellt, weil ich wie viele andere Leute Angst hatte. Früher hat er, glaube ich, im Dienst der Mafia Leuten die Knochen gebrochen. Für mich hat er bisher nichts anderes getan, als aufzupassen.«
    Nachdem Robin ihm seine Quittung geschrieben hatte, gingen wir zur Tür.
    »War nett, Sie kennen zu lernen, Alex.«
    Er nahm Robins Hand und küsste sie.
    »Passen Sie gut auf Ihre Hände auf. In der heutigen Rock-Szene ist die Show das Allerwichtigste. Ich werde noch mehr solcher Kunstwerke brauchen.« Er lächelte, und sein Diamant blitzte auf. »Jetzt geht’s auf nach San Francisco zu einem Treffen mit Dr. und Mrs. Ornstein.«
    Mir kam ein Gedanke.
    »Billy«, sagte ich, »sind Sie in San Francisco aufgewachsen?«
    »Genauer gesagt, in Atherton«, antwortete er.
    Er hatte also in einem der betuchten Viertel außerhalb gewohnt.
    »Haben Sie die Haight-Ashbury-Szene gekannt?«
    Er lachte.
    »Ich war zu dieser Zeit ein angepasstes Bürgersöhnchen und wollte Kieferorthopäde werden wie mein Vater. So habe ich in den Sechzigern biologische Bücher auswendig gelernt. Warum fragen Sie?«
    »Ich suche Informationen über ein paar Leute, die in einer Wohngemeinschaft auf dem Haight wohnten.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich hatte mit der Szene gar nichts zu tun, aber ich könnte Ihnen jemanden sagen, der sich da auskennt. Roland Oberheim, Rolly O. Er ist Produzent, spielte früher Bassgitarre bei Big Blue Nirvana . Erinnern Sie sich an die Gruppe?«
    »Ich glaube schon. Sie spielten Sitars und

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