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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mehr hat. Zwei Saiten auf einem Synthesizer und eine Menge schmutziger Parolen. Nicht dass mir das was ausmachte, ich habe selbst auch unanständiges Zeug gesungen, aber das muss doch eine Bedeutung haben, auch das Unanständige, irgendeine Story muss dranhängen. Das da ist nicht gut genug, um meine Großmutter zu provozieren.«
    Er massierte sich den Bauch und nahm eine neue Beedie.
    »Na, tut nichts zur Sache. Billy ist ein ordentlicher Kerl, der Junge kann auch ganz normal sein, wenn er will.« Er hustete. »Ihre Freundin macht also seine Spielzeuge, muss ein interessantes Mädchen sein.«
    »Ist sie auch.«
    »Vielleicht sollte ich mir auch mal so ein Ding machen lassen, aber mit vier Saiten.«
    Er tat, als hielte er eine Bassgitarre im Arm, und bewegte seine Finger wie auf dem Griffbrett.
    »Boom da boom, chukka boom, chukka boom. Riesiger alter pelziger Pimmel mit einer schweren Resonanz. Was halten Sie davon?«
    »Es gibt da eine Menge Möglichkeiten.«
    »Klar. Ich hätte mal achtundsechzig im Cow Palace so einen haben sollen.«
    Er begann, in einem schrägen Falsett zu summen. »Boom da boom. Hier bin ich, Mama, prachtvoll schön und jederzeit bereit. Können Sie sich vorstellen, wie da die kleinen Mädchen vor Begeisterung quietschen?« Er rauchte seine Zigarette zu Ende und legte sie in einen Keramikaschenbecher.
    »Seelenklempner, was? Kennen Sie Tim Leary?«
    »Ich bin ihm einmal auf einem Kongress begegnet. Es ist Jahre her, ich war noch Student.«
    »Was halten Sie von ihm?«
    »Ist ein interessanter Typ.«
    »Der Mann ist ein Genie, der Pionier des Bewusstseins.«
    Er sah mich zustimmungsheischend an. Ich lächelte unverbindlich. Er kreuzte wieder seine Beine und legte die Arme über die Brust.
    »Also, Alexander der Großmütige, was möchten Sie wissen?«
    »Billy erzählte mir, dass Sie alle Leute auf dem Haight kennen.«
    »Das ist übertrieben« - er strahlte -, »ein bisschen wenigstens. Es war eine irre Szene, alle wie eine große Familie, fließende Grenzen. Rolly war einer der Väter.«
    »Ich versuche alles, was irgend möglich ist, über zwei Leute herauszufinden, die in den Sechzigerjahren auf dem Haight lebten. Peter Cadmus und Margaret Norton. Sie wurde auch Margo Sunshine genannt.«
    Ich hatte gehofft, ihn durch die Erwähnung der Namen gleich auf die Spur zu bringen, aber sein Lächeln verschwand, und sein Gesicht wurde finster.
    »Sie reden von zwei Toten.«
    »Kannten Sie sie persönlich?«
    »Warum fragen Sie danach?«
    Ich erzählte ihm von meiner Bekanntschaft mit Jamey und von Souzas Auftrag. Dass ich geflogen war, verschwieg ich ihm.
    »Ja, ich müsste sie kennen. Ich habe in der Zeitung von dem Jungen gelesen. Eine üble Sache. Was haben Sie vor? Wollen Sie rauskriegen, dass seine Eltern LSD nahmen und er deshalb nicht für die Morde verantwortlich ist, geschädigtes Erbgut und so? Hexenjagd auf Marihuanasüchtige à la McCarthy?«
    »Nichts dergleichen. Ich möchte nur herausfinden, was für Menschen sie waren, wie sie lebten, damit ich ihn besser verstehen kann.«
    »Wie sie waren? Oh, sie waren wunderschön. Sie waren Teil einer wunderschönen Zeit.«
    Er nahm eine Packung Beedies, legte sie aber sogleich zurück. Aus einem Lederbeutel zog er einen Marihuana-Joint, zündete ihn beinahe liebevoll an, schloss die Augen, atmete eine Marihuanawolke ein und lächelte.
    »Tot sind sie«, sagte er nach einer Weile. »Wenn ich ihre Namen höre, muss ich mich furchtbar anstrengen. Reise zurück in die Vergangenheit, das reinste Gehirnvideo.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen soll.«
    »Hatten Sie näher mit ihnen zu tun?«
    Er sah mich mitleidig an.
    »Es gab nicht näher oder ferner. Jeder war jeder. Ein einziges großes, kollektives Bewusstsein. Wie bei Jung. Friedvoll, wunderschön. Niemand tat einem anderen etwas zuleide, denn damit hätte er nur sich selbst verletzt.«
    Als junger Student hatte ich in San Francisco im Bob Hopkins einen Job als Gitarrist in einer Tanzkapelle. Es war die große Zeit der Flower Power, und ich besuchte öfter den riesigen Kräutermarkt der Hippies in Haight Ashbury. Auf den Straßen wimmelte es von sozialen Außenseitern: Rockern mit Kindergesichtern, Huren, Zuhältern und anderen Randexistenzen. Es kam mir vor wie eine Suppe voller seltsamer Zutaten, die allzu leicht überkochen und gefährlich werden konnte, alle Reden von Liebe und Frieden erschienen mir als von Drogen hervorgerufene Illusionen.
    Ich sagte

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