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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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blitzte mich böse an.
    »Quatsch! Das war doch kein Selbstmord!« Sein Kopf fiel herab wie der eines Spielzeughundes, dessen Batterie abgelaufen ist.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Das gibt es nicht«, sagte er und flüsterte verschwörerisch. »Das ist ein verdammter Betrug. Das Establishment benutzt ihn dazu, um Rocker und tolle Stars, die von allen verehrt werden, zu Versagern zu machen. Janis, Jimi, Morrison, the Bear. Janis hat sich nicht umgebracht, sie starb aus Lebensangst. Jimi hat sich nicht umgebracht, die Regierung hat ihn mit einer Art Napalm getötet, weil er zu viel wusste und sie ihm das Maul stopfen wollten. Morrison und the Bear sind nicht tot. Und Buddy Holly ist mit ihnen zusammen. Wahrscheinlich feiern sie gerade eine Orgie auf irgendeiner griechischen Insel. Das mit dem Selbstmord ist Quatsch, das kann einfach nicht sein.«
    »Peter …«<
    »Peter hat sich nicht umgebracht! Er ist bei einem seiner Spiele umgekommen. Ich hab es Ihnen doch schon erzählt.«
    »Was für ein Spiel denn?«
    »Er hat mal wieder Grenzen ausprobiert, eine Art Ekstase-Trip.«
    »Erzählen Sie mir mehr davon.«
    »Klar. Warum auch nicht? Er spielte es doch dauernd. Er zog sich nackt aus, kletterte auf einen Stuhl, machte sich eine Schlinge aus einem Seidenstrick und legte sie um den Hals. Dann ließ er sich hängen, bis sein Hals zusammengedrückt wurde, nur nicht allzu sehr, dann bearbeitete er seinen Schwanz bis zum Orgasmus. Es war irre anzugucken, er stöhnte wie ein Wilder dabei. Er pflegte zu sagen: ›Der Druck erhöht die Lust.‹«
    Er murmelte leise und unzusammenhängend, aber ich hörte ihm angestrengt zu. Er beschrieb nämlich ein Phänomen, das unter dem Namen erotisiertes Erhängen oder autoerotisches Ersticken in den Lehrbüchern beschrieben wird, eine wenig verbreitete sexuelle Praktik, gepflegt von Leuten, die den Reiz ihres Orgasmus durch ein Kokettieren mit dem Tod erhöhen.
    Diese Leute masturbieren, während ein Seil oder ein anderes Tuch ihre Schlagadern zusammenpresst. Während des Höhepunkts sind sie dann völlig geschlossen. Manche benutzen komplizierte Flaschenzüge, um die Schlinge festzuziehen, andere verkrümmen sich zu diesem Zweck auf seltsam verkrampfte Art. Wie immer dieses Spiel betrieben wird, es ist ein Spiel mit dem Zufall und deshalb gefährlich. Wenn der Onanist das Bewusstsein verliert, bevor er das Seil ablegen kann oder sich so bewegt hat, dass er sich nicht oder zu spät befreien kann erstickt er.
    »Ein schönes Spiel, was?« Oberheim lächelte. »Peter liebte solche Spiele. Und eines Tages verlor er. Ich finde das cool.«

21
    Ich ließ ihn schnarchend in seinem Büro zurück, schlaff und in sich zusammengesunken. Das Gespräch mit ihm war wirr und schwierig gewesen, aber ich hatte wieder ein Stückchen aus der Familiengeschichte der Cadmus kennen gelernt: Peter hatte ein gefährliches erotisches Spiel betrieben, und sein Tod war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Unfall gewesen. Ich fragte mich, ob Souza wohl etwas von dem erotischen Erhängen wusste, kam aber zu dem Schluss, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall war. Sonst hätte er dieses Wissen sofort strategisch genutzt, um nachzuweisen, dass sexuelle Perversion ebenso zu den Erbeigenschaften der Familie gehörte wie psychische Labilität.
    Als ich nach Norden in Richtung La Brea fahr, wurde mir klar, wie unfreundlich ich zu Robin gewesen war. Oberheim war nicht der Einzige, der sich zu sehr um sich selbst kümmerte. Ich war so beschäftigt gewesen mit dem Fall und meinen Schuldgefühlen, dass ich sie vernachlässigt hatte. Ich hatte sie nur ausgenutzt, um jemanden zum Zuhören zu haben, ohne die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, dass auch sie meine Aufmerksamkeit verdiente.
    Fest entschlossen, dies wieder gutzumachen, machte ich an der Tankstelle von Fountain kehrt, fuhr Richtung Süden nach Wilshire, dann nach Westen und ins Zentrum von Beverly Hills. Ich hatte noch eine Stunde Zeit, bis die Läden zumachten. Ich stellte meinen Wagen am Beverly Drive ab und benahm mich wie der Gewinner eines Fernsehquiz im Kaufrausch. In einer Boutique kaufte ich Robin eine hundert Jahre alte Spitzenbluse, bei Giorgio Parfüm und Badeseife, Himbeer- und Schokoladeneis aus Dänemark, dann einen riesigen Gourmet-Esskorb, einen kupfernen Kochtopf, den sie sich schon lange wünschte, und zwölf korallenrote Rosen. Das war zwar keine ideale Lösung, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
    Nachdem ich mich durch ein Meer von

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