Jamey. Das Kind, das zuviel wußte
geglaubt hatte. Der Termin sollte in vier Wochen sein, so tat ich den Brief in die Ablage.
Es war ein ruhiger, angenehmer Morgen, aber der Gedanke, dass mich jemand beim Kauf der Verwerflichen Tat überboten hatte, ging mir nicht aus dem Sinn. Voids will be Voids diente irgendeinem Arzt dazu, weniger Steuern zu zahlen; es kam ihm nicht darauf an, Geld zu machen. Wieso also fingen die Leute an, sich wegen einer bestimmten Skulptur zu überbieten? Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger gefiel mir die Sache.
Es war halb eins, die Galerie machte erst in ein paar Stunden auf. Aber da ich Zeit hatte, fuhr ich in die Stadt, vielleicht würde mir der junge Mann mit dem bunt gestreiften Haar ja irgendwo über den Weg laufen. Ich sah ihn jedoch nirgendwo, und in der Galerie brannte kein Licht. Deshalb fuhr ich zum Essen nach Chinatown.
Als ich um zwei mit wohlgefülltem Bauch zurückkehrte, war Voids immer noch geschlossen, aber ich entdeckte meinen Gesprächspartner vor einem der Trödelläden zwischen den Kleiderständern, eifrig damit beschäftigt, in alten Klamotten zu stöbern. Bis ich geparkt und mich ihm genähert hatte, war er fündig geworden, eine Stretchhose aus künstlichem Tigerfell, ein Oberteil aus Polyäthylen und ein weißes aufknöpfbares T-Shirt.
»Hallo«, sagte ich vorsichtig.
Er schreckte hoch und ließ die Kleider auf den Bürgersteig fallen. Ich hob sie auf und klopfte sie aus. Der Ladenbesitzer schaute argwöhnisch aus der Tür. Der Streifenkopf war auch argwöhnisch, mir gegenüber.
»Was wollen Sie denn schon wieder?«
»Noch ein Geschäft mit Ihnen machen.«
»Wir fangen erst um vier an.« Er tat, als betrachte er das Oberteil.
»Es geht nicht um Kunst, ich brauche neue Informationen.«
»Dann rufen Sie ein Auskunftsbüro an.«
Der Ladenbesitzer kam nach draußen und fragte:
»Kaufen oder nur angucken?«
Bevor Streifenkopf irgendetwas sagen konnte, antwortete ich:
»Kaufen. Was kostet es?«
Er nannte eine Summe, ich bot ihm die Hälfte an, und wir trafen uns in der Mitte. Streifenkopf sah mir ungläubig zu, dann reichte er mir die Kleider.
»Behalten Sie sie«, sagte ich. »Frohe Weihnachten.«
Er ging zur Galerie hinüber, und ich folgte ihm.
»Sind Sie Jude oder so was?«, fragte er.
»Nein, warum?«
»Sie machen Geschäfte wie ein Chinese oder Jude, und ein Chinese können Sie ja schließlich nicht sein.«
»Da haben Sie Recht.«
»Was?«
»Schon gut.«
Wir waren an der Galerie angekommen. Er stellte sich mit dem Rücken vor das Eisengitter, die Kleider hielt er fest umklammert, offenbar aus Angst, dass ich sie ihm wieder wegnehmen könnte.
»Ich möchte wissen, wer Die Verwerfliche Tat gekauft hat.«
»Habe ich Ihnen doch schon gesagt, irgendeiner mit Anzug.«
»Wie hieß er denn?«
»Er hat keinen Namen genannt.«
»Wollte er keine Quittung?«
»Er machte es wie Sie: Cash and carry.«
»Wie sah er denn aus?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich die Leute nicht …«<
Der Zwanzigdollarschein, den ich ihm unter die Nase hielt, brachte ihn mitten im Satz zum Schweigen.
»Fünfzig«, sagte er.
Ich zog die Hand mit dem Geld zurück.
»Lassen wir’s. Ich habe einen Freund bei der Polizei, den rufe ich gleich an und sage ihm, dass Sie betrügerische Geschäfte machen.«
»He, ich mache doch gar nichts!«
»Das ist ja möglich, aber wenn die kommen, machen sie als Erstes eine Leibesvisitation.«
Ich wandte mich zum Gehen, aber er hielt mich mit einem festen Griff zurück.
»Hören Sie mal, ich wollte doch nur fair sein. Der andere hat mir fünfzig gezahlt, damit ich die Schnauze halte, Sie sollten nicht weniger zahlen als er.«
Ich befreite mich aus seinem Griff und machte mich auf den Weg.
»Leck mich doch! Na gut, also meinetwegen zwanzig.«
Ich blieb stehen und wandte mich um.
»Erst möchte ich hören, was Sie zu sagen haben.«
»Er hatte einen riesigen, total bescheuerten Mund.«
»Ich brauche eine Beschreibung; wie er Ihnen gefällt, ist mir egal.«
»Also gut. Er war ein Weißer, braun gebrannt. Wie die Typen, die sich den ganzen Tag auf die Sonnenbank legen.«
»Wie groß?«
»Wie Sie, aber schwerer.«
»Dick?«
»Viele Muskeln.«
»Und sein Haar?«
»Kurz, wie die Typen, die Gewichtheben machen und sich den ganzen Tag über pflegen.«
»Was noch?«
Er verzog nachdenklich das Gesicht, versuchte sich zu erinnern.
»Er hatte einen Bart. Das ist alles.«
»Was für eine Farbe?«
»Dunkel.«
Aus seiner Beschreibung
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