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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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übersehen.«

22
    Gleich hinter San Fernando, am nördlichen Rand des Valley, erstreckt sich eine einsame, öde Landschaft. Als ich in den Highway Richtung Antelope Valley einbog, ließ ich die letzten Anzeichen von Zivilisation hinter mir - Schnellrestaurants, Kneipen, Pizzabuden -, und vor mir breitete sich eine menschenleere, ungastliche Gegend aus: niedrige Hügel aus Sandstein, oben durch Salbeipflanzen und Kreosot ganz weiß, die sich klein und geduckt vor dem schwarzen Hintergrund der Berge von San Gabriel abzeichneten. Rechts und links niedrige immergrüne Krüppelsträucher, von den Bränden im Sommer geschwärzt; dann plötzlich riesige Polster greller, kanariengelber Blumen.
    Wie Milo vorausgesagt hatte, war der Highway beinahe leer, fünf einsame Straßen zweigten zu den Canyons ab, die das Landschaftsbild beherrschten: Placerita, Soledad, Bouquet, dessen violettes Gestein die Innenhöfe und Bäder zahlreicher kalifornischer Traumhäuser ziert, außerdem Vasquez und Agua Dulce.
    Der Weg zum Bitter Canyon hatte zunächst ein starkes Gefälle, führte dann über eine enge, kurvenreiche Asphaltstraße, die beiderseits von Felsbrocken und wenigen windgepeitschten Bäumen gesäumt wurde. Das flache Hügelland war hier geprägt von ausgewaschenen Felsen in Braunund Rottönen, an manchen Stellen in Blau und Lavendel übergehend. Der Himmel hing voller schwerer tiefgrauer Wolken, ab und zu drang ein Sonnenstrahl durch den Dunstschleier und warf einen überraschenden rötlichen Fleck auf eine begünstigte Stelle im Felsen. Ein wunderbarer Anblick, der viel zu schnell verging.
    Die Texaco-Tankstelle lag fünfzehn Meilen von der Abfahrt entfernt, sie tauchte plötzlich aus dem Nichts auf, wie aus einer vergangenen Epoche. Zwei Zapfsäulen aus der Vorkriegszeit standen auf einem unebenen, schmutzigen, kiesbedeckten Hof, gegenüber von einer Garage in ähnlich verrottetem Zustand. Darin stand ein grüner Kleinlastwagen Marke Plymouth.
    An die Garage war eine kleine Hütte angebaut, die als Büro diente. Die Fenster waren schmutzig und mit Zeitungen abgedeckt. Ein paar Schritte die Straße hinunter lag ein kleines Café mit einem alten Coca-Cola-Reklameschild auf beiden Seiten und einem Wetterhahn auf dem Teerdach. Der Hahn, starr und reglos in der windstillen Luft, wirkte beinahe hochmütig.
    Das Café machte nicht den Eindruck, als ob es oft besucht würde, aber davor waren eine Menge Polizeifahrzeuge geparkt. Ich stellte den Seville zwischen den wohlvertrauten bronzefarbenen Matador und einen Wagen der Spurensicherung und stieg aus.
    Die nördliche Ecke des Hofes war mit einer Schnur und Pfosten abgeteilt. An der Schnur waren Plaketten des Los Angeles Police Department befestigt. Innerhalb der abgeteilten Zone sah ich Experten der Spurensicherung, die am Boden hockten und vornübergebeugt mit Spritzen, Bürsten und Plastikmaterial hantierten. Manche arbeiteten an einem perlgrauen RX 7, andere am Boden in der Nähe des Wagens. Dort lag auch ein wurstförmiger Klumpen, eingepackt in einen Leichenbeutel. Etwa einen Meter entfernt war ein riesiger dunkelroter Fleck auf der staubigen Erde. Ein Beamter chinesischer Herkunft beugte sich über die Leiche und sprach in ein Diktiergerät.
    Ein Krankenwagen stand mit laufendem Motor außerhalb der Absperrung, ein Sanitäter in Uniform sprang heraus und sah sich um. Schließlich blieben seine Augen auf Milo haften, der gegen eine Zapfsäule gelehnt in sein Notizbuch schrieb.
    »Okay?«
    Mein Freund sprach kurz mit dem Chinesen, der aufblickte und nickte.
    »Okay«, antwortete er dann dem Sanitäter.
    Dieser gab ein Zeichen mit der Hand, daraufhin sprang ein zweiter aus dem Wagen und öffnete die rückwärtige Tür. Sie holten eine Bahre heraus, und innerhalb weniger Sekunden lag der Tote auf der Trage und landete mit einem dumpfen Geräusch auf der Ladefläche. Der Krankenwagen fuhr davon und hinterließ eine kleine Staubwolke.
    Milo sah mich und steckte sein Notizbuch ein. Er klopfte sich Staub vom Rockaufschlag und legte mir eine schwere Hand auf die Schulter.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Radovic hat heute Morgen hier mit zwei Rockern ein Palaver abgehalten, und dabei schlitzten sie ihn auf.« Er wies auf den Blutf leck.
    »Nach dem, was unser Zeuge sagte, war es ein geplantes Treffen, um irgendeinen Handel abzuschließen. Aber er ging schief.«
    Ich blickte auf den Blutf leck und dann hinauf zu den öden grauen Hügeln.
    »Warum nur so weit draußen?«
    »Das

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