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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Krankheitsbild handelt. Sie ist ein sehr vielschichtiges Übel mit wechselnder Symptomatik. Die Auswirkungen kleinerer Dosen PCP kommen dem sehr nahe, was wir Katatonie nennen - Störungen der Körperfunktionen und der Sprache. Bei der Katatonie unterscheiden wir zwei Arten.«
    Er hörte auf zu reden, als hoffe er, damit genug erklärt zu haben.
    »Fahren Sie fort«, sagte Milo.
    »Was ich Ihnen zu erklären versuchte, ist, dass Phencyclidin eine komplexe Substanz mit komplexer, nicht berechenbarer Wirkung ist. Ich habe Patienten beobachtet, die, körperlich und vom Gesichtsausdruck her, alle Anzeichen einer klassischen Katatonie aufwiesen - sie wirkten wie Marionetten. Die Fälle, mit denen Sie wahrscheinlich in Berührung kommen, weisen Symptome auf, die einer erregten Katatonie außerordentlich ähnlich sind: psychomotorischer Erregungszustand, überschwängliche, aber zusammenhanglose Ausdrucksweise, gegen sich selbst und andere gerichtete Aggression.«
    »Und wie sieht es bei einer paranoiden Schizophrenie aus?«
    »Bei einigen Patienten führt eine hohe Dosierung von Phencyclidin zu auditiven Halluzinationen paranoider Struktur. Andere reagieren auf solche Dosen mit allen Arten von Größenwahn und mit Übererregbarkeit, die zu einer Fehldiagnose führen können, nämlich zu einer monopolaren Affektpsychose - in der Umgangssprache nennt man das Wahnsinn.«
    »Das ist ein höllisches Zeug, Doc, kann ganz schön täuschen.«
    »Theoretisch gesehen ja. Das ist aber an sich bedeutungslos. Alle gewöhnlich verwendeten Rauschgifte haben die Eigenschaft, Psychosen vorzutäuschen, Sergeant. Das gilt für Amphetamin, Kokain, Barbiturat und Haschisch. Sogar Marihuana kann bei entsprechend hoher Dosierung zu solchen Symptomen führen. Das ist der hauptsächliche Grund dafür, dass ein Psychiater, der auf sich hält, seine Patienten sorgfältig beobachtet und auf den Missbrauch von Rauschgiften oder Betäubungsmitteln hin untersucht, bevor er eine Schizophrenie diagnostiziert.«
    »Sind solche Untersuchungen Routinesache?«
    Mainwaring nickte zustimmend.
    »Sie sagen also, dass sich ein Arzt durch Gifte, mit denen man eine Schizophrenie simulieren kann, kaum täuschen lässt.«
    »So weit würde ich nicht gehen. Nicht alle Ärzte haben genügend Erfahrung über psychisch wirksame Substanzen. Es ist durchaus denkbar, dass ein unerfahrener Beobachter - ein Chirurg, ein Allgemeinmediziner, sogar ein niedergelassener Psychiater, der keine Erfahrung mit Rauschgiften hat - eine Drogenvergiftung mit einer Psychose verwechselt. Das kann aber einem vereidigten Sachverständigen nicht passieren.«
    »Und so was sind Sie ja wohl.«
    »Genau.«
    Milo stand unschuldig grinsend auf.
    »Ich vermute, dass ich wohl an der falschen Adresse bin, nicht?«
    »Ich fürchte, das ist so, Sergeant.«
    Milo ging zu Mainwaring, sah ihn von oben an, steckte seinen Notizblock weg und streckte seine Hand aus. Doch ehe sie der Psychiater ergreifen konnte, kratzte Milo sich am Kopf.
    »Nur noch eine Frage«, sagte er. »Diese Routineuntersuchungen, erfassen sie auch Anticholinergika?«
    Die Pfeife in Mainwarings Mund begann zu zittern. Er hielt sie mit einer Hand fest und tat so, als sehe er nach, ob sie richtig brannte.
    »Nein«, erwiderte er dann. »Warum sollte man das tun?«
    »Ich habe selbst ein paar Ermittlungen angestellt«, sagte Milo. »Dabei habe ich herausbekommen, dass man auch mit Atropin und Skopolamin Menschen in den Wahnsinn treiben kann. Südamerikanische Stämme und Hexen im Mittelalter konnten das schon.«
    »Der klassische Belladonna-Trank?«, sagte Mainwaring lässig. Seine beiden Hände zitterten jetzt.
    »Ja, den meine ich.«
    »Ein interessanter Einfall.« Die Pfeife war ausgegangen, und er brauchte drei Streichhölzer, um sie wieder anzuzünden.
    »Nicht wahr? Noch nie davon gehört?«
    »Von einer vorsätzlichen Atropinvergiftung? Nein.«
    »Wer hat denn etwas von Vorsatz gesagt?«
    »Ich - wir sprachen über Hexen. Ich habe angenommen, Sie …«<
    »Ich meinte jede Art von Atropinvergiftung. Haben Sie schon mal so einen Fall gehabt?«
    »Seit Jahren nicht. Das ist außerordentlich selten.«
    »Sie haben sich noch nie damit beschäftigt oder darüber geschrieben?«
    Der Psychiater wurde nachdenklich.
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Milo gab mir mit den Augen einen Wink.
    »Da gab es einen Artikel in The Canyon Oaks Quarterly «, schaltete ich mich ein, »über die Notwendigkeit, ältere Patienten auf Anticholinergika zu

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