Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
eine Hand flach auf die Tischplatte, lehnte sich vor und schwang den Knochen wie einen Säbel. Er zog die Brauen zusammen und zog ein grimmiges Gesicht, dessen Wirkung durch das von der Kerze beschienene Fett auf seinen Lippen noch verstärkt wurde. Er sah aus wie ein Pirat.
    »Ich meine es auch ernst, Herr Anwalt«, sagte er. »Todernst. Und jetzt machen Sie den verdammten Koffer auf!«

30
    Neben Antrim zu gehen kam mir vor, wie statt einer Krawatte eine Kobra zu tragen. Dass er sich zur Mitarbeit bereit erklärt hatte, löste bei mir einiges Grauen aus. Ich wusste, zu welchen Wutausbrüchen er fähig war. Aber seine Anwesenheit war für unsere Inszenierung äußerst wichtig, und ich hatte zu lange daran mitgewirkt, um mich zurückziehen zu können.
    Die Entscheidung, ihn und mich in die Szenerie einzubauen, hatten Milo und seine Leute nach einem dreistündigen Gespräch hinter verschlossenen Türen gefällt. Milo kam zu mir nach Hause, um mir die Neuigkeit mitzuteilen.
    »Er hat bei Souza angerufen und ihm gesagt, dass alles wie nach Plan läuft, aber es dauert, bis sie herausbekommen, dass er festgenommen wurde. Das Geld dieser Leute erlaubt ihnen alles. Privatjets, Konten in der Schweiz, Häuser auf Inseln, die niemanden ausliefern - wie im Fall Vesco, der immer noch dort ist und die Regierung zum Narren hält. Wenn wir nicht schnell vorgehen, verlieren wir möglicherweise einen ganz dicken Fisch.«
    »Und was soll ich dazu tun?«
    Er erklärte mir alles und betonte, dass ich mich keineswegs gedrängt fühlen sollte. Ich dachte an alle meine Möglichkeiten, wog das Risiko ab, aber dann dachte ich an einen nächtlichen Anruf um drei Uhr und alles, was danach geschehen war, und fragte:
    »Wann soll es losgehen?«
    »Heute Abend.«
    Am selben Abend holten sie Antrim aus seiner Zelle. Er wurde gewaschen, bekam zu essen und hinterher Kaffee. Seinen Knastanzug tauschten sie gegen seine Livree. Dann fuhren sie ihn zu der Hütte im Wald. Als dann der Anruf erfolgte, beantwortete er ihn mit erstaunlicher Gelassenheit angesichts der Tatsache, dass ein ganzer Kreis großer, aggressiv aussehender Männer um ihn herumstand. Letzten Endes erstaunte es mich nicht so sehr, denn schließlich war er eine Mordmaschine, deren Schnelligkeit und Zielsicherheit keinerlei Bedenken oder Selbstzweifel erlaubten. Mit einer Ausnahme: Wenn das Gespräch auf eine dicke, haarlose Frau kam, war er unendlich verletzlich.
    Der Rolls wurde von einem Polizisten gefahren, einem großen dünnen, schnurrbärtigen Mann, der im Dunkeln Antrim so ähnlich sah, dass er sein Zwilling sein konnte. Aber zwei Straßenecken vor unserem Ziel fuhr er in eine Sackgasse und stieg aus. Sekunden später kam der echte Chauffeur hinter einem Ahornbaum hervor, geführt von zwei Beamten in Zivil. Er trug keine Handschellen. Sie brachten ihn zur offenen Wagentür. Sie ließen ihn einsteigen und beobachteten ihn genau, während er sich ans Steuer setzte.
    »Fahren Sie vorsichtig«, sagte Milo, der im hinteren Teil des Wagens am Boden lag, den Lauf seiner.38er gegen die Rückenlehne des Fahrers gerichtet. »Bei der kleinsten Sache geht es Miss Skull an den Kragen!«
    »Schon gut«, sagte der Chauffeur gelassen. Dann fuhr er mit dem großen Wagen in Richtung Wilshire, bog nach links und nach fünfzig Metern wieder rechts ab, dann glitt er elegant auf die kreisförmige Einfahrt. Ein silberner Mercedes 380 stand dort bereits.
    »Soll ich jetzt aussteigen?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Milo, »und vergessen Sie nicht, Sie werden beobachtet.«
    Antrim stellte den Motor ab, stieg aus und öffnete mir den Wagenschlag. Ich stieg aus, und zusammen gingen wir auf das Gebäude zu. Antrim wirkte gelöst. Ich beobachtete seine Hände und Füße und seine Augen, die sich wieselflink hin und her bewegten.
    Wir kamen bei der Eingangstreppe an. Die Tür ging auf, und Antrims Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Mir schnürte es die Kehle zu. Würde die Kobra zuschlagen?
    Ein Mann kam heraus und blieb auf der obersten Stufe stehen. Mit einer Hand hielt er die Tür fest.
    Bis jetzt war mir trotz Milos Reden alles unnötig erschienen, wie eine überflüssige Szene in einem Film. Als ich aber Souza erblickte, wusste ich, dass dies der einzig richtige Weg war.
    »Guten Abend, Doktor«, sagte er gereizt. Er trug einen Abendanzug und wirkte darin wie ein überfütterter Pinguin: ein schwarzer Seidensmoking, ein weißes Hemd mit kleinen Goldpünktchen, eine pflaumenfarbene Fliege und eine

Weitere Kostenlose Bücher