Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
ärgerlich.
    Sie lächelte mir entschuldigend zu und nahm die Hand von seinem Arm. Er griff zur Karaffe und goss sich einen doppelten Whisky ein. Als er ihn hinunterstürzte, wandte sie sich beschämt ab.
    Souza tat, als habe er nichts gehört, rückte näher, lehnte sich nach vorn, räusperte sich und sagte:
    »Doktor, über welche seinen Gesundheitszustand betreffenden medizinischen Veränderungen wollten Sie so unbedingt mit uns reden?«
    »Es geht um mehr als Veränderungen. Ich glaube, ich habe alle Probleme für Sie gelöst«, sagte ich mit Begeisterung in der Stimme. »Ich kann nachweisen, dass Jamey unschuldig ist, jedenfalls vor dem Gesetz.«
    »Wirklich?« Ein kurzes Lächeln und ein endloser Ausdruck der Verachtung erschienen in ihren Gesichtern.
    »Ja, ich habe die Ärzte im Bezirkskrankenhaus gebeten, einige Laboranalysen vorzunehmen, um sicherzugehen. Ich glaube, Jamey wurde ein Gift verabreicht, das zur Spezies der Anticholinergika gehört. Sie unterbrechen die Reizübertragung der Nerven und rufen genau die Art Symptome hervor, die Jamey aufwies. Wenn ich Recht habe, ist er für seine Taten genauso wenig verantwortlich wie ein Schlafwandler. Mit dem Material, das ich habe, können Sie sicher auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.«
    »Vergiftet?«, sagte Dwight und starrte mich in dummer Faszination an, mit jenem Blick, den Angehörige der besseren Gesellschaft für Witzfiguren übrig haben. Er hob sein Glas an die Lippen und schnaubte verächtlich.
    Seine Frau legte einen Finger an die Lippen, um ihn von weiterem Reden abzuhalten.
    »Bitte reden Sie weiter, Doktor«, sagte Souza. »Wie sind Sie zu dieser überaus interessanten Vermutung gelangt?«
    »Es gab zu viele Widersprüche in der ganzen Sache. Die Morde konnten unmöglich von einem Psychopathen ausgeführt worden sein. Auch war Jameys Krankheitsbild alles andere als eindeutig. Manchmal verhielt er sich wie ein Schizophrener, dann aber wieder gar nicht, er wechselte plötzlich von geistiger Klarheit zum Delirium und umgekehrt. In der Nacht, in der er mich anrief, war er dialogfähig, aber als ich ihn kurz darauf besuchte, war er unansprechbar, vollkommen taub und abgestumpft. Auf Thorazingaben reagierte er höchst ungewöhnlich, nämlich mit einem ständigen Auf und Ab, wie eine Achterbahn. Außerdem reagierte er auf die Medizin in einer Weise, wie man es nur bei älteren Patienten beobachtet, die jahrelang behandelt worden sind. Je mehr ich darüber nachdachte, desto naheliegender schien mir der Gedanke, dass da irgendein Gift im Spiel sein müsste, eine unbekannte Substanz, die sein Nervensystem durcheinander brachte. Ich sprach mit Dr. Mainwaring darüber, aber er versicherte mir, Jamey auf sämtliche Psychopharmaka getestet zu haben. Ich hätte meine Theorie fast aufgegeben, aber nachdem ich nicht mehr Ihr Mitarbeiter war, Mr. Souza, musste ich immer wieder daran denken, wie widersprüchlich und unlogisch das alles war. Ich fragte mich, ob es noch andere Drogen gäbe, auf die Mainwaring ihn nicht getestet hatte, etwas, woran ein Arzt nicht denkt, weil es extrem selten vorkommt. Ich versuchte, erneut mit Mainwaring zu sprechen, aber er war nicht zu erreichen. Ich glaubte, dass er mir aus dem Weg ging, vermutlich auf Ihr Geheiß, Mr. Souza. Aber heute rief ich in Canyon Oaks an und erfuhr von seiner Sekretärin, dass sie seit Tagen nichts mehr von ihm gehört habe und anfange, sich Sorgen zu machen. Haben Sie Kontakt mit ihm gehabt?«
    »Nein«, sagte Souza. »Vielleicht ist er spontan für ein paar Tage verreist.«
    »Ich hatte nicht den Eindruck, dass er ein Mensch spontaner Entscheidungen ist, aber vielleicht haben Sie Recht. Wie auch immer, ich habe selbst Nachforschungen angestellt. Ich will jetzt nicht alle Einzelheiten erklären, aber ich habe einige chemische Substanzen entdeckt, die genau passen. Anticholinergische Alkaloide. Atropin, Skopolamin, Belladonna-Extrakte. Vielleicht haben Sie schon davon gehört.«
    Heather sah mich verzückt an wie eine in ihren Professor verliebte Studentin und schüttelte den Kopf.
    »Ich habe nur vage davon gehört«, sagte Souza.
    »Man benutzte sie vor allem im Mittelalter, um …«<
    »Mittelalter«, rief Dwight. »Das ist doch purer Unsinn, Psychologengeschwätz. Wer zum Teufel sollte ihn vergiften wollen?«
    »Bitte entschuldigen Sie den Ton meines Mannes«, sagte Heather, »immerhin, er hat Recht. Warum um alles in der Welt sollte jemand Jamey mit diesen, wie heißen sie, Anti… vergiften

Weitere Kostenlose Bücher