Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
wird.«
    Sein Gesichtsausdruck forderte mich heraus, weitere Fragen zu stellen.
    »Chancellor hatte einen großen Besitz, dafür braucht man Bedienstete. Die Morde hatten grauenhafte Begleitumstände. Wie konnte er das vor ihnen verheimlichen?«
    »Er hatte sie nur tagsüber angestellt, Gärtner, Putzfrau, Koch. Nur einer lebte ständig im Haus, eine Mischung aus Leibwächter und Verwalter mit Namen Erno Radovic. Radovic ist ein unsteter Typ, er war Polizist, bis man ihn hinauswarf. Ein- oder zweimal habe ich ihn mit Nachforschungen beauftragt, bis ich gemerkt habe, welch ein Störenfried er ist. Es hätte mich wirklich nicht überrascht, wenn er an allen Taten beteiligt gewesen wäre, aber er hat ein sauberes Alibi für die Mordnacht. Donnerstags hatte er anscheinend immer seinen freien Tag. Er fuhr dann morgens weg und kam erst Freitagmittag zurück. Er schlief auf einem Schiff, das er im Hafen liegen hatte. Er gab eine Frau als Zeugin an, die bestätigte, dass sie am letzten Donnerstag ständig mit ihm zusammen gewesen ist. All das bestärkt mich in meiner Theorie, denn alle Opfer wurden freitags, in den frühen Morgenstunden, weggebracht, nachdem sie, wie der Untersuchungsbefund des Gerichtsmediziners ausweist, einige Stunden vorher getötet worden waren. Donnerstagnacht. Wir kennen jetzt den Grund. Wenn Radovic weg war, gab es keinen Zeugen mehr.«
    »Haben die kriminaltechnischen Untersuchungen ergeben, dass Chancellor das Messer benutzte?«
    »Meines Wissens nicht. Es ist aber auch nicht beweisbar, dass Jamey es in der Hand hatte. Das Heft war blutverschmiert, es gab keine klaren Fingerabdrücke. Jedenfalls ist das, was im Einzelnen geschah oder nicht geschah, für den Fall unwichtig. Man muss nur erreichen, dass die Geschworenen darüber in Zweifel geraten. Und das wird geschehen, wenn man ihnen einen von der Anklage abweichenden Tathergang präsentiert.«
    In Erwartung einer weiteren Frage sah er mich konzentriert an. Als ich schwieg, wandte er sich ab und fuhr mit einem Finger über den Rand der Untertasse.
    »Sie haben eine gute Art zu fragen, Doktor. Das bringt mich auf gute Ideen. Möchten Sie noch etwas wissen?«
    Ich schloss mein Notizbuch. »Wenn ich an Jameys bisheriges Leben denke, mache ich mir Sorgen, dass er Selbstmord begeht.«
    »Ich sehe das genauso. Deshalb habe ich von Anfang an verlangt, ihn bis zum Prozess entsprechend unterzubringen. Die Staatsanwaltschaft trug vor, dass der Hochsicherheitstrakt eine ständige Überwachung garantiere und deshalb das Sicherste sei. Der Richter stimmte dem zu.«
    »Stimmt das wirklich?«
    »In den meisten Fällen. Größere Sicherheit könnte man woanders auch nicht gewährleisten. Doch kann man Selbstmord letztlich verhindern?«
    »Nein«, stimmte ich zu. »Wenn jemand dazu entschlossen ist, wird er irgendwann einmal Erfolg haben.«
    Souza nickte.
    »Zurzeit ist er zu schwach, um sich etwas anzutun. Trotzdem sollten Sie mich sofort informieren, wenn sich Anzeichen für eine solche Gefahr ergeben. Noch etwas?«
    »Für heute nicht. Wann kann ich mit Dwight und Heather Cadmus sprechen?«
    »Sie haben sich zu Freunden in Montecito zurückgezogen, um der Presse zu entkommen. Dwight wird in ein paar Tagen zurückkommen. Heather will noch etwas dort bleiben. Wollen Sie mit beiden gleichzeitig sprechen?«
    »Nein, besser wäre es, ich könnte mit jedem allein reden.«
    »Gut. Ich werde das arrangieren und Sie benachrichtigen. Mit Mainwaring werde ich auch telefonieren und einen Termin für die nächsten Tage vereinbaren, damit sie zusammen anhand seiner Aufzeichnungen sprechen können.«
    »Danke.«
    Wir standen gleichzeitig auf. Souza knöpfte sein Jackett zu und begleitete mich aus dem Esszimmer den Flur hinunter zum Gebäudeeingang. Es war später Nachmittag, die Dämmerung hatte begonnen, die Empfangshalle war voller gut gekleideter junger Männer und Frauen, Sozietätspartner und Mitarbeiter, die, dezent nach Eau de Cologne oder Parfüm duftend, über den gesprenkelten Marmorfußboden ihre Arbeitsstätte verließen. Souzas Erscheinen veranlasste beflissenes Lächeln und servile Verbeugungen. Er kümmerte sich nicht darum, sondern führte mich lächelnd, die Hand auf meiner Schulter, an ihnen vorbei.
    »Wie Sie meiner Chancellor-Strategie auf die Schliche gekommen sind, war eine ausgezeichnete Leistung, Doktor, und auch Ihr kleines Verhör. Vielleicht haben Sie den falschen Beruf.«
    Ich entwand mich seinem Griff und ging auf den Ausgang zu.
    »Das glaube ich

Weitere Kostenlose Bücher