Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Stein davorgerollt. Jetzt tauchst du plötzlich auf, schnappst dir auf meinem Grundstück einen Verrückten und tust so, als ob das normale Alltagsroutine sei.«
    »Ich kann nicht darüber reden.«
    »Warum denn nicht, zum Teufel?«
    »Weil wir beide am Cadmus-Fall beteiligt sind, aber nicht auf derselben Seite stehen. Allein mit dir gesehen zu werden ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wäre Radovic nicht so ein kleiner Idiot, hätte ich Verstärkung holen müssen, um ihn zu überwältigen.«
    »Das mag ja alles stimmen, aber ich verstehe trotzdem nicht, warum du nicht zu erreichen warst, als ich mit dem Fall noch gar nichts zu tun hatte.«
    Milo biss sich auf die Lippen und steckte den Schlüssel in die Zündung. Er stellte das Radio an, hörte den Polizeifunk nach besonderen Nachrichten ab, und als keine erfolgten, schaltete er wieder aus.
    »Das ist ziemlich schwer zu erklären«, sagte er.
    »Ich habe Zeit.«
    Er sah auf die Uhr, starrte auf die Windschutzscheibe und sagte:
    »Alex, ich kann nicht länger hier bleiben.«
    »Dann können wir uns doch anderswo treffen. Da, wo uns niemand sieht.«
    »Wie im Ritterroman, alles heimlich und im Dunkeln.«
    »Nenn es, wie du willst, lieber Freund.«
    Milo starrte auf das Armaturenbrett und trommelte nervös mit den Fingern auf seinen Oberschenkel. Mehrere Sekunden verstrichen.
    »Ich kenne einen Ort, der geeignet wäre«, sagte er schließlich. »Der Goldene Adler am Flughafen. Da sitzt man, lässt sich voll laufen und hört den Piloten zu, die mit dem Tower quatschen. Ich werde um neun dort sein.«
    Mein erster Gedanke war, dass Milo nicht mehr alle beisammenhätte. Was sollten wir in einem Wartesaal unter lauter Cocktail trinkenden Reisenden?
    »Gut, treffen wir uns dort«, sagte ich dann.
    Milo fuhr an, ich winkte ihm. Er sah mich an, als ob ich vom Mars käme. Dann aber bewegte sich sein Adamsapfel, er hielt seine beiden Pranken durchs Fenster und drückte mir fest die Hand. Eine Minute später war er verschwunden.

13
    Der Goldene Adler, ein einstöckiger trapezförmiger Kasten mit schokoladefarbenem Außenputz, stand in einem öden Industriegelände, umgeben von Supermärkten und maschendrahtumzäunten Autoabstellplätzen. Das Restaurant lag im Schatten einer Autobahnüberführung des San Diego Freeway, außerdem so nahe an den Rollbahnen des Flughafens von Los Angeles, dass der Start- und Landelärm jedes Mal die Gläser über der Bar klingen ließ wie Schlüssel auf einem Vibrafon. Trotz der hässlichen Umgebung bot der Schuppen eine Attraktion, so etwas wie Voyeurismus für neugierige Lauscher. An jedem der sechseckigen Tische waren gepolsterte Kopfhörer verdrahtet, mit denen man die Cockpitgespräche in den Flugzeugen abhören konnte. Durch eine Glaswand konnte man die Rollbahn beobachten.
    Ich war kurz vor neun Uhr dort, das Lokal war schummerig und verqualmt. Alle Tische waren besetzt, Milo war nicht da. Die Bar war ein Halbkreis aus Kiefernholz, mit Epoxidharz versiegelt und seitlich mit rotbraunem Vinyl gepolstert. Ringsherum drängelten sich fröhliche Geschäftsreisende, tranken, aßen Chips und bändelten mit Stewardessen an, die dort die Zeit bis zum nächsten Start verbrachten. Kellnerinnen in lachsfarbenen Minikleidchen und Netzstrümpfen bahnten sich mit hochgehobenen Tabletts ihren Weg durch die Menge. In einer Ecke des Raumes war eine kleine Bühne aus Sperrholz aufgebaut. Darauf stand ein schmächtiger Mann mittleren Alters in einem gelbgrünen Anzug mit am Hals geöffnetem zitronengelbem Hemd und hochhackigen, ochsenblutroten Halbschuhen, der eine elektrische Gitarre stimmte. In der Nähe standen ein Mikrofon und ein Verstärker, der mit einem elektronischen Rhythmusinstrument verbunden war. Davor stand ein Pappschild, auf dem in goldenen Buchstaben The Many Moods of Sammy Dale zu lesen war. Sammy Dale trug einen Spitzbart, ein dunkles, leicht verrutschtes Toupet und hatte einen leidenden Gesichtsausdruck. Nachdem er die Gitarre gestimmt hatte, fummelte er an der Rhythmusbox herum, bis sie einen Rumbatakt von sich gab. Dann sagte er etwas Unverständliches ins Mikrofon und wimmerte in einem heiseren Bariton eine verschnulzte lateinamerikanische Fassung von New York, New York.
    Ich zog mich an ein Ende der Theke zurück. Der Barkeeper sah wie ein mondsüchtiger Jüngling aus. Als er mir den bestellten Chivas brachte, gab ich ihm fünf Dollar und bat, mir so bald wie möglich einen Tisch zu beschaffen.
    »Vielen Dank. Geht in Ordnung. Die haben

Weitere Kostenlose Bücher