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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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heute Abend alle Sitzfleisch, aber der Tisch da drüben wird bald frei.«
    »Fein.«
    Um Viertel nach neun bekam ich den Tisch. Zehn Minuten später tauchte Milo auf. Er trug helle Jeans, Stiefel, ein braunes Polohemd und ein kariertes Sportsakko in kräftigen Farben. Er ließ seine Blicke durch den Raum gleiten, als suche er einen Verdächtigen, dann sah er mich und kam rüber. Eine Serviererin heftete sich an seine Fersen wie ein jagender Hecht.
    »Tut mir Leid, ich komme zu spät«, sagte er und ließ sich auf den Stuhl sinken. Eine gerade landende A 747 ließ die Glasscheiben zittern und tauchte sie in einen milchigen Lichtschein. Am Nachbartisch saß ein schwarzes Pärchen, hatte Kopfhörer übergestülpt und zeigte lachend auf das Flugzeug.
    »Darf ich Ihnen etwas bringen?«, fragte die Kellnerin. Milo dachte einen Moment nach.
    »Beefeater mit Tonic, bitte wenig Tonic.«
    »Großes B, kleines T«, murmelte sie, als sie die Bestellung aufnahm. Dann sah sie mein halb volles Glas und lächelte mich an: »Kann ich Ihnen noch eins bringen?«
    »Nein, vielen Dank.«
    Sie eilte davon und brachte gleich darauf das Getränk, Bierdeckel und ein Schälchen mit Chips. Milo bedankte sich, stopfte sich eine Hand voll in den Mund und fischte die Zitronenscheibe aus dem Glas. Nachdem er nachdenklich daran gesogen hatte, hob er seine Augenbrauen, aß das Fruchtfleisch, warf die Schale in einen Aschenbecher und trank das Glas halb aus.
    »Radovic ist für die nächsten achtundvierzig Stunden sauber aus dem Verkehr gezogen.«
    »Vielen Dank für den Hinweis.«
    »Keine Ursache.«
    Wir tranken schweigend. Um uns herum schwoll das Gesumme zahlreicher Gespräche auf, wie das unpersönliche Rauschen eines Fernsehers. Sammy Dale, dem es inzwischen gelungen war, seine Rhythmusbox zu einem langsamen Walzer zu veranlassen, sang irgendetwas über Sänger.
    »Wird er ernsthaft verdächtigt?«, fragte ich.
    »Du bist auf der gegnerischen Seite«, antwortete er mit kaum wahrnehmbarem Lächeln, »man erwartet, dass ich nicht mit dir zusammenarbeite und keine Ermittlungsergebnisse herausrücke.«
    »Vergiss meine Frage.«
    »Natürlich«, sagte er, trank das Glas aus und bestellte ein neues, »weiß Souza ohnehin alles, was wir wissen. Nebenbei, ich glaube, du solltest dir keine Hoffnungen machen, dass Cadmus unschuldig ist und wir hinter Radovic her sind. Deshalb sage ich dir gleich, Radovic steht nicht unter Verdacht, Cadmus ist weiter unser Hauptverdächtiger, aber Radovic verhält sich so seltsam, dass wir ihn im Auge behalten, zumindest als Tatbeteiligten. Ist das klar?«
    »Ist mir klar.«
    Er sah mich an, senkte dann seinen Blick auf die Tischplatte. »Mir ist völlig unverständlich, wie du dich auf eine solche Verteidigung einlassen konntest.«
    »Ich habe mich auf nichts eingelassen. Ich ermittle Tatsachen und bin dabei niemandem verpflichtet.«
    »Oh, wirklich nicht? Man sagt, dass Souza dich als Hauptzeugen braucht und du für zehn große Scheine nach seiner Pfeife tanzt.«
    »Wo hast du das her?«, fragte ich ärgerlich.
    »Aus dem Büro der Staatsanwaltschaft. Sei bloß nicht überrascht, in so einem Fall verbreiten sich Neuigkeiten rasend schnell. Sie haben mich eines Tages geholt und mich nach dir ausgefragt; waren keineswegs erfreut, als ich ihnen erklärte, dass du nicht zu kaufen seist. Aber glaub ja nicht, dass sie deshalb nicht versuchen werden, dich im Zeugenstand wie den letzten Hurenbock aussehen zu lassen.«
    Ich berichtete ihm, dass ich erwogen hätte, das Geld zurückzugeben.
    »Das ist sehr nobel gedacht. Nützen wird es nur, wenn du dich ganz aus dem Fall heraushältst.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich fühle mich beruflich verpflichtet.«
    »Hör doch auf, Alex, wann hast du den Jungen denn das letzte Mal gesehen? Vor fünf Jahren? Was bist du ihm denn schuldig?«
    »Vor fünf Jahren hätte ich ihm besser helfen können. Ich möchte diesmal nichts versäumen.«
    Milo beugte sich vor und sah mich finster an. In der düsteren Beleuchtung der Bar wirkte sein Gesicht gespenstisch.
    »Das klingt ziemlich theoretisch, mein Freund, mach mir doch nichts vor. Du hast noch nie im Leben halbe Sachen gemacht. Unabhängig davon, was der Junge früher einmal war, jetzt ist er ein Verbrecher, das kannst du nicht mehr ändern.«
    »Heißt das mit anderen Worten, dass du ihn für schuldig hältst?«
    »Ja, verdammt«, antwortete er, den Mund voller Eis.
    Sein zweites Getränk wurde serviert. Während er es

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