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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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überschüttete er sich selbst mit Eigenlob. Er hielt das ausgerollte Rauhfaserstück vor seinen Körper. »Seht selbst. Hier steht es schwarz auf weiß: die Verbindung von Kunst und Kriminalpoesie.«
von
einem Löwen
halb zerrissen
fand er seine Frau
im afrikanischen Busch
Rache aber die Freude des Löwen
währte nur kurze Zeit
er kam vom Hunger
getrieben zurück
und verendete am
Gift
    »Die Gestaltung dieses Rachetextes in Form eines todbringenden Pfeils – ist das nicht geradezu eine künstlerische Meisterleistung?«
    »Ja, ja, wenn’s die liebe, gute, alte Rache nicht gäbe«, murmelte Tannenberg vor sich hin, »hätte ich weit weniger zu tun.«
    Die an diesem Abend aufgenommene Hopfendosis hätte normalerweise für eine erholsame Nachtruhe ausgereicht. Aber die unerträgliche Hitze und die fürchterlichen Albträume, von denen Tannenberg geplagt wurde, verhinderten den Erfolg seiner bewährten Selbstmedikation. Und zu allem Übel zog in der zweiten Nachthälfte auch noch ein schweres Gewitter über das Musikerviertel hinweg.
    Schweißgebadet hatte er sich stundenlang in seinem Bett herumgewälzt und seine beiden Kopfkissen nach der jeweils kühlsten Stelle abgesucht. Als ihm Kurt im Morgen-Grauen – das seinem Namen wieder einmal alle Ehre machte – mehrmals seine raue Zunge über den Handrücken zog und anschließend demonstrativ zur Tür trottete, entschied er sich dazu, dieser unseligen Quälerei ein Ende zu bereiten und mit seinem Hund eine ausgedehnte Wanderung zu unternehmen.
    Obwohl ihn stechende Kopfschmerzen marterten und ihm jeder einzelne Knochen weh tat, schleppte er sich unter die Dusche. Aus guten Gründen verzichtete er auf einen prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel. Ohne sich die Haare zu föhnen, streifte er eine kurze Sporthose und ein T-Shirt über und schnappte sich die Hundeleine.
    Traditionell führte ihn der erste Tagesspaziergang mit dem von der gesamten Familie vergötterten Vierbeiner zum nahegelegenen Stadtpark. Er marschierte zunächst von seinem Haus in der Beethovenstraße aus in diese Richtung los, doch bereits an der nächsten Kreuzung schwenkte er in die Richard-Wagner-Straße ein, wo er sein knallrotes Cabrio gestern Abend in der Nähe eines Biergartens geparkt hatte. Zuerst befahl er Kurt, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, danach klappte er das Verdeck auf.
    Anschließend brauste er los. Von der Richard-Wagner-Straße kommend, bog er rechts in die Logenstraße ein und nahm dann die stadtauswärts führende Trippstadterstraße. Der imposante Mischlingshund saß die ganze Zeit über mit stoischer Ruhe neben seinem Herrchen. Kurt reckte tapfer seinen wuscheligen Kopf in den Fahrtwind, wodurch die riesige Zunge flatternd über die ausgefransten Leftzen hinwegbaumelte.
    Auf dem Waldparkplatz kurz unterhalb der Rothen Hohl stellte Tannenberg sein Auto ab. Ohne Kurt anzuleinen, spazierte er strammen Schrittes los. Wie ferngesteuert wählte er aus den zur Verfügung stehenden Alternativen den Wanderweg aus, der mit der ›Trauerkoi-Markierung‹ ausgeschildert war.
    Die körperliche Ertüchtigung in der feuchtkühlen Luft wirkte sich ausgesprochen positiv auf den verkaterten und chronisch morgenmuffeligen Kriminalbeamten aus. Nach und nach verringerten sich die Rheuma-Schmerzen, der Kopf wurde frei und urplötzlich erfreute er sich in dieser frühen Morgenstunde einer geradezu euphorischen Stimmung.
    Während der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission seinen Gedanken nachhing, streunte Kurt durch den Wald. Als Tannenberg die Jammerhalde erreichte, warf er zunächst einen kurzen Blick auf den Gedenkstein, dann drehte er ihm den Rücken zu und begann mit Dehnungsübungen. Doch plötzlich krauste er die Stirn und hielt in gebückter Körperhaltung abrupt inne.
    Irgendwas stimmt hier nicht, sagte er zu sich selbst. Als ich eben zur Jammerhalde hingeschaut habe, war irgend-etwas anders, als es eigentlich sein müsste – nur was?
    Er richtete sich auf, wandte sich um und schritt auf den etwa zehn Meter entfernt stehenden Sandsteinfindling zu. Dann entdeckte er die weiße Plastiklilie, die oben auf dem verwitterten Stein lag.
    Aber die hat Karl doch gestern Morgen in einen Asservatenbeutel gesteckt und sie mir nachmittags im K 1 noch mal gezeigt. Wie ein greller Blitz schoss ihm nur Sekundenbruchteile später eine andere Erklärungsmöglichkeit durch den Kopf. Er schlug sich an die Stirn. Ich Idiot, natürlich! Warum bin ich denn nicht gleich darauf gekommen? Die muss

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