Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
setzt dich wieder hin.«
»Ein Name fehlt«, zeigte sich Geiger vom Einwurf seines Chefs unbeeindruckt. Er kritzelte mit rotem Edding ›Manfred‹ auf ein weiteres Kärtchen. Um die Spannung weiter zu steigern, ließ er noch einen Augenblick taten- und wortlos verstreichen. Dann fügte er den Nachnamen ›Kreilinger‹ hinzu.
Wie stets, wenn Tannenberg diesen Namen irgendwo hörte oder las, verspürte er sofort einen schneidenden Stich in der Magengegend.
Diese Schrecksekunde nutzte Geiger und schob sogleich nach: »Ihr werdet wahrscheinlich nicht glauben, was ich herausgefunden habe.« Er räusperte sich ausgiebig, bevor er seine vermeintlich spektakuläre Entdeckung verkündete: »Ein und derselbe Förster Kreilinger hat vor gut 30 Jahren das ermordete Pärchen an der Jammerhalde gefunden und vor ein paar Tagen den unbekannten toten Mann. Na, wenn das keine Sensation ist.«
»Du Blödmann«, schimpfte Michael Schauß los. »Erstens hat gar nicht Kreilinger den Toten gefunden, sondern eine alte Frau, und zweitens gehst du mir mit deinem aufgeblasenen Gelaber gewaltig auf den Keks.«
Mir auch, stimmte Tannenberg in Gedanken zu. Als Kommissariatsleiter hatte er jedoch auch Kriminalhauptmeister Geiger gegenüber eine gewisse Fürsorgepflicht zu erfüllen. Deshalb bedachte er ihn mit einem weiteren Rechercheauftrag und schickte ihn in die Asservatenkammer.
Während Petra Flockerzie die Anwesenden mit Espresso und Mineralwasser versorgte, stand der Kommissariatsleiter am Fenster und schaute hinunter auf den Pfaffplatz. Er dachte zurück an seinen Besuch im Pfalzinstitut.
Ist das eine tolle Frau, schwärmte er im Stillen. So eine ist mir schon ewig nicht mehr über den Weg gelaufen. Sieht super aus, tolle Figur, ist intelligent, hat Charme – whow! Und außerdem ist sie anscheinend zur Zeit solo.
Mach dir ja keine falschen Hoffnungen, du Traumtänzer!, meldete sich seine innere Stimme mal wieder ungefragt zu Wort. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sich diese Superfrau für so ein altes, verwahrlostes Wrack wie dich interessiert. Auch noch so ein dauerjammernder Rheumakrüppel, dem alles Mögliche wehtut und der den lieben langen Tag seine Mitmenschen mit seinen Launen drangsaliert. Das kannst du dir getrost abschminken. Diese Zuckerpuppe sucht sich garantiert einen jungen, knackigen Lover. Kann man ja auch wirklich nur allzu gut nachvollziehen.
Frustriert schwenkte sein Blick hinüber zu einer Haltestelle, wo gerade ein voll besetzter Stadtbus eintraf. Leidend seufzte er auf.
»Hal-lo«, hörte er von Ferne her eine weibliche Stimme. Aber es war leider nicht die von Hanne. »Hal-lo Wolf, könnten wir vielleicht mal weitermachen?«
Erst jetzt realisierte er, dass er gemeint war. »Was?«
»Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken?«, fragte Sabrina.
Tannenberg machte eine abweisende Handbewegung. Die Frage beantwortete er selbstverständlich nicht, sondern ergriff nun selbst die Initiative: »Komm, Rainer, wir fangen am besten mit dir an.«
»Zu gütig, Herr Hauptkommissar.« Dr. Schönthaler warf einen mürrischen Blick auf seine Armbanduhr. »Da hast du aber gerade noch einmal Glück gehabt. Wenn du mich auch weiterhin ignoriert hättest, wäre ich in exakt drei Minuten wortlos verschwunden. Dann hättest du mir den Buckel runterrutschen können.«
Tannenberg verdrehte die Augen und schürzte angewidert die Lippen. »Igitt – was für eine eklige Vorstellung. Dann leg doch einfach gleich los, du alter Hektiker.«
»Also gut, wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient«, gab der Pathologe einen seiner Lieblingssprüche zum Besten. »Stichwort ›Zahnanalysen – Ergebnisse‹.«
Erwartungsvoll leuchteten die Gesichter der Kriminalbeamten auf.
»Leider noch keine neuen Erkenntnisse«, verkündete der Rechtsmediziner mit einem süffisanten Lächeln. Nachdem sich auch in Tannenbergs Miene die beabsichtigte Enttäuschung breitgemacht hatte, ergänzte er: »Dafür hab ich aber inzwischen die Ergebnisse der DNA-Analysen vorliegen.«
»Mann, warum sagst du das denn nicht gleich?«, schimpfte Tannenberg. »Wir müssen uns Geigers Knallerbsen anhören und du hast die Kanonenschläge in deinem piekfeinen neuen Anzug versteckt.«
Der Rechtsmediziner überging sowohl die Spitze bezüglich seiner Kleidung als auch die waghalsige Metaphorik seines besten Freundes. »Mich hat ja bisher keiner von euch danach gefragt«, entgegnete er mit gespielter Beleidigung. »Und im Gegensatz zu anderen dränge ich mich
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