Jan Fabel 01 - Blutadler
Spruch, mit dem du die Frauen beeindruckst?«
MacSwains Miene verfinsterte sich. »Es hat nichts mit Frauen oder Sex zu tun. Ich rede über etwas, das hundertmal wichtiger ist als ... na ja, Liebe. Ich rede von einer echten Bindung zwischen einer Person und einem Ort ... zwischen einem Individuum und anderen.«
Er runzelte die Stirn, als suche er nach einem Bezug, den Anna nachempfinden konnte. »Es gibt im Deutschen ein Wort, das sich nicht ins Englische übersetzen lässt.«
»Davon gibt es viele ...«
MacSwain tat Annas Kommentar mit einer Handbewegung ab.
»Heimat. Die Vorstellung von einem Ort, einer Zeit und einem Volk, zu denen man gehört.«
Anna nickte vage. Es war ein Wort, das sie mit Spießbürgertum und Engstirnigkeit verknüpfte, mit den langweiligen, politisch farblosen und gestelzten Filmen, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht worden waren - in einer Zeit, als jede Hervorhebung deutscher Eigenheiten unangemessen oder sogar geschmacklos zu sein schien.
»Es gibt Beziehungen im Leben, die einem das Gefühl der Heimat, der Zugehörigkeit, verleihen. Aber es braucht nicht unbedingt an einen einzigen Ort gebunden zu sein. Dort, wo man solche Menschen trifft, ist man zu Hause.« Die Intensität verschwand aus MacSwains Augen. Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee. »Deshalb ist mein Vater nur noch eine nebensächliche Gestalt in meiner persönlichen Landschaft. Ich habe gelernt, dass es viel wichtigere Bande zwischen Menschen gibt als die der reinen Genetik. Aber genug über mich ...«
Er schob sich auf die Couch, und Anna musste ihm Platz machen. Er rückte dichter heran, und sein Gesicht näherte sich ihrem. Wieder betrachtete Anna seine fast perfekten Züge und war erstaunt über ihren Anflug von Ekel, als er seine Lippen an ihre legte.
Sie wich zurück und lächelte. »Es wird Zeit, dass wir wieder Kurs aufs Ufer nehmen, Herr Kapitän.« Sie hoffte, dass ihre Heiterkeit in seinen Ohren weniger hohl klang.
MacSwain lächelte resigniert und seufzte. »Geht klar.«
MacSwain war auf der Rückfahrt zur Anlegestelle höflich und zuvorkommend, doch merklich kühler gewesen. Anna verspürte einen Schwall von Energie und Erleichterung, als sich die Lichter am Ufer näherten. Sie lehnte MacSwains Einladung ab, sie nach Hause zu fahren, da ihr Auto in der Nähe des Nachtclubs geparkt sei. Aber er bestand darauf, sie dort abzusetzen. Paul Lindemann und das Überwachungsteam waren von der Bildfläche verschwunden, als MacSwain an seinem Anlegeplatz eingelaufen war, und hatten die Spur auf der Fahrt zurück zum Nachtclub erneut aufgenommen.
»Das genügt«, sagte Anna, während sie sich dem Club näherten.
Wieder lächelte MacSwain höflich. »Wo ist dein Wagen?«
Anna machte eine vage Geste.
»Um die Ecke.« Sie nahm einen kleinen Notizblock aus ihrer Handtasche und schrieb die Nummer des Handys nieder, das ihr für die Operation zugeteilt worden war. »Hör zu. Ich glaube nicht, dass ich heute Abend besonders unterhaltsam war. Ruf mich an, und wir verabreden uns noch einmal.«
»Ich dachte schon, du könntest mich nicht leiden, Sara. Du warst irgendwie ... beunruhigt.«
Anna lehnte sich zu MacSwain hinüber und gab ihm einen langen Kuss auf die Lippen. Dann sagte sie lächelnd: »Ich bin einfach nicht gern auf dem Wasser. Das ist alles. Ruf mich an.« Sie öffnete den Schlag des Porsches und schwenkte die Beine hinaus. »Nächstes Mal sollten wir auf festem Boden bleiben.«
Eines der Observationsfahrzeuge startete in sicherer Entfernung hinter MacSwains Porsche. Anna blieb auf dem Bürgersteig stehen und sah zu, wie das Auto am Albers-Eck abbog. Erst nachdem die Beobachter bestätigten, dass MacSwain den Kiez hinter sich gelassen hatte, machte der Mercedes-Lieferwagen neben Anna Halt.
Maria stieg als Erste aus und legte den Arm in einer ungewohnten Geste der Zuneigung um die Schultern ihrer Kollegin. »Das hast du verdammt gut gemacht, Anna«, sagte sie.
»Mit dem Boot hat er uns einen Schrecken eingejagt«, meinte Paul Lindemann, der nun neben Maria stand. »Ich weiß nicht, wie du so gelassen bleiben konntest.«
Anna lachte leise und merkte, dass ihre Beine zitterten. »Ich auch nicht.«
»Die Wasserschutzpolizei hat dich im Auge behalten«, erklärte Paul. »Du warst von Anfang bis Ende sicher. Wenn nötig, hätten die Kollegen dir innerhalb von Sekunden helfen können.« Maria wollte gerade etwas hinzufügen, als ihr Handy klingelte. Sie entfernte sich ein paar Schritte
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