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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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trug den Gestank des Todes aus dem Dorf zu uns. Nun wussten wir, dass Witrenko dort gewesen war. Ich schickte eine Patrouille aus, die uns signalisierte, wir könnten das Dorf betreten. Ich schloss zu dem Patrouillenführer auf und las an seinem Gesicht ab, dass ich mit dem Schlimmsten rechnen musste.«    
    Der Slawe unterbrach sich und blickte in Richtung des Fotos, das nun vor Fabels Füßen auf dem Boden lag. »Es war eine Art Scheune oder Speicher. Wenn die Hölle existiert, dann muss sie viel Ähnlichkeit mit dem haben, was wir in der Scheune vorfanden. Alle Männer waren erschossen worden. Eine große Menge von ihnen lag dicht hinter der Tür. Man hatte sie an Händen und Füßen gefesselt und in eine kniende Position gezwungen, bevor sie niedergeschossen wurden. Und dann die Frauen. Wahrscheinlich alle Frauen des Dorfes. Ungefähr zwanzig. Sämtliche Altersgruppen - von Kindern bis hin zu Großmüttern. Man hatte jede einzeln aufgeschlitzt und ihre Lungen herausgerissen, genau wie bei Ihren Opfern. Zwei waren an die Scheunenwand genagelt worden wie Ausstellungsstücke.« Seine Augen suchten in einer unsichtbaren Szene nach Details, die ihm erlaubten, die richtigen Worte zu finden. »Wie Schmetterlingssammler ihre Insekten zur Schau stellen.«
    »Und das alles hat Witrenko getan?«, fragte Fabel.
    »Nicht persönlich. Das ist es ja. Er ließ es von anderen erledigen. Dafür hat er ein Talent. Er schuf diese obszöne Galerie, ohne sich die Hände zu besudeln. Seine Männer nahmen ihm die Arbeit ab. Es war wie eine Art Test ... ein Beweis. Wie ein Ritual, das sie mit ihrem Anführer verband.«
    »Und es betraf nur die Frauen?«, wollte Mahmoot wissen, der dem Bericht stumm gelauscht hatte.
    Der Ukrainer nickte. »Ich erinnere mich, dass der Patrouillenführer sagte, wenigstens hätten die Männer einen leichteren Tod gehabt. Aber später erfuhren wir, dass wir uns geirrt hatten. Witrenko hatte sie gezwungen zuzusehen, wie die Frauen starben, bevor sie selbst getötet wurden.«
    Fabel und Mahmoot tauschten einen langen Blick aus. In der kleinen Kabine herrschte Schweigen. Wieder musste Fabel an die Bilder denken, die Marlies Menzel in ihrer Ausstellung gezeigt hatte. Er versetzte sich in eine stickige Scheune in einer öden Landschaft und starrte die zerfleischten Leichen von zwanzig Frauen an: die perversen Werke eines kranken Schöpfertums.
    »Sie haben ihn eingeholt?«
    »Nach einiger Zeit, ja. Wir hatten den Befehl, ihn und seine Männer auf das von der Sowjetarmee kontrollierte Gelände zurückzubringen. Und genau das taten wir auch. Aber erst nach langen Verhandlungen. Als wir Witrenkos Männer einholten, bezogen sie tatsächlich Verteidigungspositionen. Ich musste meinen Männern befehlen, in Deckung zu gehen. Sie konnten nicht begreifen, weshalb ihre Kameraden sie aufs Korn nahmen. Aber das waren keine sowjetischen Soldaten mehr, sondern Witrenkos Banditen. Gut ausgebildet, hoch motiviert und äußerst effektiv, aber trotzdem Banditen. Und ihre Loyalität galt ausschließlich Witrenko. 
    Nach Afghanistan war er ein Held. Seine Gräueltaten wurden von den Normalbürgern verdrängt. Ehrlich gesagt, es gab kaum jemanden, den es interessierte, was mit einem Haufen ausländischer Muslime angestellt wurde, solange es Erfolg hatte. Witrenko erwarb bald den Ruf eines Experten für islamischen Terrorismus. Nach der Auflösung der Sowjetunion wurde er ein wichtiges Mitglied der neuen ukrainischen Anti-Terror-Truppe. Er schloss sich dem Berkut oder ›Goldadler‹ an. Wieder waren seine Leistungen beispielhaft. Witrenko ist ein äußerst intelligenter und gebildeter Mann, und er hat sich ausführlich mit allen Richtungen der Kriminologie, Psychologie und Terrorbekämpfung beschäftigt. Dadurch und durch seine Erfahrung im aktiven Dienst wurde er zu einem geachteten Spezialisten. Aber dann kam es zu einer Reihe brutaler Vergewaltigungen und Morde in Kiew.« Der Ukrainer deutete wieder auf die Fotos. »Das erste Bild zeigt eines der Opfer, eine junge Journalistin, die für einen unabhängigen Rundfunksender in Kiew arbeitete. Wir verhafteten jemanden wegen der Morde: einen jungen Mann von Mitte zwanzig. Er erfüllte sämtliche Voraussetzungen für einen Serienmörder, und er legte ein Geständnis ab. Aber wir waren ziemlich sicher, dass er nicht allein gehandelt hatte. Herr Hauptkommissar, ich bin nicht einmal überzeugt, dass er der Mörder war. Gerüchte über eine Art Kult gingen um, und Witrenkos Name wurde

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