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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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einen Knopf an dem breiten weißen Armaturenbrett neben dem Steuerrad. Die Navigationslichter und die Innenbeleuchtung des Cockpits gingen wieder an. Er hatte die Champagnerflasche in der Hand und hob fragend eine Augenbraue. Anna hielt ihm ihr Glas hin.
    »Trinkst du nichts mehr?«, fragte sie und versuchte unauffällig festzustellen, ob es dieselbe Flasche war wie die, die er vor dem Ausschalten der Beleuchtung geöffnet hatte.
    MacSwain lächelte. »Nur ein Glas, wenn ich ein Boot steuern muss. Aber das braucht dich nicht zu stören.« Er füllte ihr Glas und stellte die Flasche zurück in den Eiskübel.
    Anna nahm einen Schluck. Hatte der Champagner nun einen Nachgeschmack? Sie spürte kalten Schweiß auf der Stirn, behielt das Getränk im Mund und testete den Geschmackssinn ihres Gaumens bis zum Äußersten. Dann schluckte sie den Champagner hinunter und holte ihren Alarmsatz wieder wie einen Rettungsring hervor. Sie lächelte MacSwain, dessen Miene unlesbar blieb, schwach an. Der Moment ging vorbei. Ihr war nicht schwindelig geworden, und sie verspürte keine Benommenheit.
    »Seit wann interessierst du dich für Boote?« Es war das Einzige, was Anna einfiel.
    »Oh, seit meiner Kindheit. Mein Vater nahm mich in Schottland oft zum Segeln mit. Ich habe immer mit Booten und dem Wasser zu tun gehabt. Das finde ich herrlich.«
    »Hast du eine enge Beziehung zu deinem Vater?«
    MacSwain lachte. »Niemand hat eine enge Beziehung zu meinem Vater. Er ist ein kalter Fisch. Wir kamen nie gut miteinander aus. Ich wurde in ein Internat gesteckt und sah meine Eltern nur während der Ferien. Und sogar dann hat sich mein Vater kaum um mich gekümmert, außer wenn er mich zum Segeln oder ins Ausland mitnahm.« Er zuckte gleichmütig die Achseln. »Meine Mutter ist Deutsche, und ich habe immer mehr mit ihrer Seite der Familie zu tun gehabt. Möchtest du noch etwas essen?«    
    »Nein danke. Es muss schwierig sein ... für einen Jungen, meine ich, kein gutes Verhältnis zu seinem Vater zu haben.«
    MacSwain wirkte ein wenig distanziert. »Ich bin kein kleiner Junge mehr.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Hier draußen wird's etwas kühl. Möchtest du in die Kabine gehen und Kaffee trinken?«
    Anna lachte. »Ist das dein bestes Angebot? Oder hast du vielleicht ein paar Briefmarken, die du mir zeigen willst?«
    Er hob die Hände. »Wenn du nichts als Kaffee möchtest, bekommst du auch nichts anderes.«
    Anna spannte ihre Wangenmuskeln an, um ihr Lächeln beizubehalten. Kaffee. Ein weiteres Versteck für etwas weniger Harmloses.
    »Na schön.«
    Die Kabine war nicht allzu groß, aber hell und gepflegt. Sie bestand hauptsächlich aus einer weißen Plastikvertäfelung mit nachgeahmter Holzmaserung. An beiden Seiten befanden sich zwei Bullaugen und drei an der Decke. Zur Rechten war eine Nische mit einer kleinen Couch; eine kompakte Kombüse und eine Zelle, die wohl die Toilette sein musste, zwängten sich in den Raum zur Linken. Ein Doppelbett nahm das Bugende ein. Die Kabine füllte sich mit dem üppigen Aroma, das von der Kaffeemaschine an der Kombüsenwand ausging. MacSwain bedeutete Anna, sich auf die Couch zu setzen. Sie sah zu, wie er beide Tassen Kaffee aus derselben Kanne eingoss, und war erleichtert, als MacSwain auf dem Bettrand Platz nahm, statt sich neben sie auf die Couch zu quetschen.
    »Du arbeitest also in einem Reisebüro?«, fragte er.
    Anna verspürte ein Frösteln. Das war ein Teil ihrer Tarnung, den sie nicht zu sehr von MacSwain geprüft sehen wollte. Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach Emotionen, die ihre kurze Beschäftigung bei Meier-Reisen hervorgerufen hatte.
    »Ja. Es ist der langweiligste Job auf dem Planeten, die deutsche Durchschnittsfamilie für zwei Wochen nach Teneriffa oder Gran Canaria zu schicken und sich dann ihre Klagen darüber anzuhören, dass keine Bratwurst auf der Hotelspeisekarte stand. Warum?«
    »Hast du nie jemanden an einen Ort geschickt, von dem er nicht zurückkehren wollte? An einen Ort, wo er sich instinktiv zu Hause fühlte?«
    Anna hob die Schultern. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
    »So habe ich mich gefühlt, als ich Hamburg das erste Mal sah. Und manchmal geht es mir mit Menschen ähnlich.« Ein Feuer leuchtete in MacSwains Augen auf. »Manchmal begegnest du einer Person zum ersten Mal, und du scheinst sie seit einer Ewigkeit zu kennen. Als wäre es die neueste Variation eines Themas, das seit tausend Jahren aufgeführt wird.« 
    »Klingt romantisch. Ist das ein

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