Jan Fabel 01 - Blutadler
bessere Amateurpsychologie als Ihre.«
Fabels Blick glitt wieder über die Bilder an der Wand. »Angenommen, er schmückt sein Ritual dadurch aus, dass er sich als Amtsperson verkleidet. Was würde für die Opfer Autorität verkörpern und sie zu bedingungslosem Vertrauen veranlassen?«
Maria Klee starrte Fabel eine Sekunde lang an. Dann sagte sie fast flüsternd: »O Scheiße.«
»Soll ich den Kriminaldirektor informieren, oder willst du es tun?«
Bevor Fabel zu van Heidens Büro hinaufging, rief er bei LKA 7 an, der Abteilung Organisierte Kriminalität. Er vereinbarte einen Termin mit Hauptkommissar Buchholz, der das für Ulugbay zuständige Team leitete. Etwas an Buchholz' Tonfall vermittelte Fabel den Eindruck, dass man seinen Anruf erwartet hatte, aber nur halbherzig darauf einging. Immerhin war Buchholz bereit, sich um vierzehn Uhr dreißig mit ihm zu treffen.
Nach dem Telefonat zog Fabel Klugmanns blaue Personalakte hervor. Seine Vermutung bewahrheitete sich: Klugmann hatte sechs Monate - und zwar die sechs Monate vor seinem Ausscheiden aus der Polizei - unter Buchholz' direktem Befehl als Mitglied des Mobilen Einsatzkommandos gearbeitet.
Fabel hatte gerade seine Papiere zusammengerafft, um zu van Heidens Büro hinaufzufahren, als Werner seinen borstigen Kugelkopf ins Zimmer steckte. »Jan, wir haben eine neue Nachricht von Professor Dorn. Er möchte sich immer noch mit dir treffen.«
»Hast du seine Nummer?« Fabel blickte nicht auf, sondern bündelte seine Akten.
»Ja. Er sagt, er kann uns bei diesem Fall helfen. Er ist sehr hartnäckig, Jan.«
Fabel blickte noch immer nicht auf. »Schön, arrangiere die Sache.«
Werner nickte und verschwand. Fabel klemmte sich die Akten unter den Arm und machte sich zum Lift auf. Tief in seinem Innern regte sich ein unbehagliches Gefühl, als er an das Gesicht seines alten Lehrers dachte. Er hatte es recht deutlich vor sich. Dann versuchte er, sich an ein anderes Gesicht zu erinnern, ein Gesicht, das er ebenfalls mit dem Namen Dorn in Verbindung brachte, aber dazu war er nicht in der Lage.
Van Heidens Büro lag in der vierten Etage des Hamburger Polizeipräsidiums. Als Fabel aus dem Lift trat, stand er vor einer lächelnden jungen Empfangsdame in Zivil. Sie hatte ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und trug eine nüchterne weiße Bluse und ein schwarzes Kostüm. Es war, als würde er eine Bank betreten, doch Fabel wusste, dass die hübsche Empfangsdame Polizistin war und eine 9-mm SIG-Sauer Automatik, genannt P6, am Rockbund stecken hatte. Sie vergewisserte sich, dass Fabel einen Termin hatte, und führte ihn den Flur entlang zu einem großen Besprechungszimmer.
Es war ein langes Rechteck mit breiten Fenstern an einer Seite, die wie die Fenster des unteren Konferenzzimmers auf die Hindenburgstraße hinausblickten. Ein langer Kirschholztisch war von schwarzen Ledersesseln flankiert. Drei davon, nicht weit vom Kopf des Tisches entfernt, waren bereits besetzt: Van Heiden saß zwischen einem stämmigen Mann mit kurzem, an den Schläfen dünner werdendem schwarzem Haar und einem übergewichtigen Politiker mit sandfarbenem Haar und rosiger Gesichtsfarbe. Seine Haut wirkte, als wäre sie gerade gescheuert worden. Fabel konnte ihn sofort als Innensenator Hugo Ganz einordnen. An einem der Fenster stand ein vierter Mann, der Fabel den Rücken zukehrte und den Verkehrsfluss auf der Straße betrachtete. Er war hoch gewachsen und trug einen eleganten ausländischen, wahrscheinlich italienischen Anzug. Die drei Männer am Tisch führten leise ein detailliertes Gespräch, wobei sie dauernd nach auf dem Tisch liegenden Notizen griffen.
Fabel schaute zu dem Unbekannten am Tisch hinüber. Van Heiden erhaschte seinen Blick und erledigte die Förmlichkeiten: »Oberst Gerd Volker vom BND. Oberst Volker, Kriminalhauptkommissar Fabel. Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Fabel.«
Es geht schon wieder los, dachte Fabel. Der Bundesnachrichtendienst hat den Auftrag, das Grundgesetz zu schützen. Zu diesem Zweck observiert er terroristische und extremistische Gruppen, von rechts wie links, aktiv oder ruhend. Seit 1996 war der BND auch am Kampf gegen das organisierte Verbrechen beteiligt. Fabel misstraute ihm zutiefst. Geheimdienst ist Geheimdienst, welche Initialen man ihm auch verleiht.
Volker lächelte und streckte über den Tisch hinweg den Arm nach ihm aus. »Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Herr Fabel. Ich habe viel über Ihre Arbeit im Fall Markus
Weitere Kostenlose Bücher