Jan Fabel 01 - Blutadler
Gedanken zu sammeln, bevor er im Büro anrief. Zunächst versuchte er, Mahmoot zu erreichen, musste sich aber wieder mit dessen Mailbox zufrieden geben. Er fluchte leise und klappte sein Handy zu. Die Sache gefiel ihm nicht, ganz und gar nicht. Er konnte nur hoffen, dass Mahmoot vernünftig genug gewesen war, von der Bildfläche zu verschwinden, als er von der Ermordung Ulugbays gehört hatte. Fabel blieb noch ein paar Minuten sitzen, schlang die Arme um die Knie und sah zu, wie die Sonne und die Schatten über das Land tanzten. Danach rief er Werner an und schilderte ihm Dorns Theorie.
»Ich bin in einer Stunde zurück. Dann treffen wir uns im Konferenzzimmer. Lass am besten auch Paul und Anna zurückkommen. Haben sie etwas über Klugmann herausgefunden?«
»Nein.«
»Damit hatte ich auch nicht gerechnet. Könntest du van Heiden fragen, ob er Zeit hat? Er wird begeistert sein.«
ZWEITER TEIL
Hamburg-St. Pauli,
Freitag, den 13. Juni, 1.50 Uhr
Der Bass hämmerte unerbittlich. Die Lichter strichen über vierhundert schweißbedeckte Körper, die sich mit jedem Beat wie ein einziges Wesen krümmten. Sie klammerte sich an ihn, als trieben sie beide in diesem menschlichen Ozean dahin. Seine Zunge erforschte ihren Mund, und seine Hände untersuchten ihren Körper. Sie riss ihren Mund von seinem los und legte ihn an sein Ohr, um etwas zu rufen, das von der betäubenden Musik fast ganz übertönt wurde. Er lächelte und nickte heftig. Dann zeigte er mit einem zweimaligen Rucken seines Kopfes nach draußen. Er trat zurück, wobei er immer noch ihre Hände hielt und immer noch lächelte, und führte sie durch die Menge zum Ausgang des Clubs. Mein Gott, wie gut er aussah. Und wie sexy. Sein T-Shirt war von Schweiß durchtränkt und ließ die harten Linien seiner Muskeln erkennen. Er war groß und schlank, sein Haar dunkel und glatt, und seine Augen waren von einem unglaublichen Grün. Sie wollte ihn haben. Unbedingt.
Die Luft außerhalb des Clubs glich einem Abkühlbecken. Die Türsteher blickten nicht einmal in ihre Richtung, als sie, einander immer noch umarmend, hinaustaumelten. Die Straße war still, abgesehen von dem gedämpften Hämmern aus dem Club, und sie blieb einen Moment lang stehen. Die kühle Luft und die schwindende Wirkung des Ecstasy, das sie geschluckt hatte, ließen sie plötzlich vorsichtiger werden. Schließlich kannte sie nicht einmal seinen Namen. Er spürte den Widerstand ihres Körpers und schob sich auf sie zu. Sein attraktives Lächeln ließ perfekte Zähne erkennen, die in der Straßenbeleuchtung wie Porzellan glänzten.
»He, Baby, was ist denn?« Zum ersten Mal hörte sie seine Stimme deutlich. Sie hatte die Spur eines Akzents.
»Ich habe Durst. Habe vorhin etwas E genommen ... Möchte nicht austrocknen.«
»Dann lass uns zu mir fahren, um auszuruhen. Ich habe ein bisschen Mineralwasser in meinem Auto. Steht gleich um die Ecke. Komm.« Er packte sie fest am Arm.
Sein Auto war ein neuer, silbern glänzender Porsche, und sie fielen dagegen und umschlangen sich erneut. Schließlich löste sich die junge Frau von ihm. »Ich habe wirklich Durst. Vielleicht sollten wir zurückgehen.«
Er stellte den Alarm aus und beugte sich in den Wagen, um zwei Halbliterflaschen Evian herauszuziehen. Dann drehte er den Verschluss der einen ab und reichte sie ihr, während er selbst aus der zweiten Flasche trank. Sie stürzte das Wasser gierig hinunter.
»Es schmeckt salzig«, sagte sie.
Er fuhr ihr mit der Zunge über den Nacken, vom Schulterband ihres Tops bis zu ihrem Ohrläppchen. »Du auch.«
Plötzlich wurde ihr schwindelig, und sie sackte gegen das Auto. Er griff ihr unter die Arme. »Aufgepasst«, sagte er fürsorglich. »Setz dich lieber hin.« Er schob sie zum geöffneten Schlag des Porsches. Sie schaute die leere Straße hinauf und hinunter und blickte ihm dann in die Augen. Sie hatten sich verändert. Zwar waren sie immer noch von demselben erstaunlichen Grün, doch nun glitzerten sie kalt und leer.
Alsterarkaden, Hamburg,
Freitag, den 13. Juni, 11.50 Uhr
Fabel hatte das Präsidium unmittelbar nach der Fallbesprechung verlassen. Sie hatten die Fortschritte der vergangenen Woche begutachtet. Nämlich keine. Klugmann war noch auf freiem Fuß, und als Expolizist wusste er, wie er in Freiheit bleiben konnte. Die Spuren des letzten Mordes waren erkaltet, und man hatte die Identität der toten Frau immer noch nicht klären können. Sogar Fabels grünäugiger
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