Jan Fabel 01 - Blutadler
Ich untersuche den Mord an einer jungen Prostituierten, die eine Wohnung von Herrn Klugmann gemietet hatte. Wir wissen von ihr nur, dass sie sich ›Monique‹ nannte.«
Yilmaz nahm einen Schluck von seinem Kaffee, ohne den Blick von Fabel abzuwenden. Er ließ keine Reaktion auf den Namen erkennen. Kein Flattern der Augen. Nichts.
»Hat ›Monique‹ für Sie gearbeitet?«, fragte Fabel. »Vielleicht auch nur indirekt, über Herrn Klugmann?«
»Nein, Herr Fabel, davon kann keine Rede sein.«
»Ich versichere Ihnen, Herr Yilmaz, dass ich kein Interesse an Ihren Geschäften oder Ihren sonstigen Aktivitäten habe. Mir geht es ausschließlich darum, einen Serienmörder zu fassen, bevor er wieder zuschlägt. Was Sie mir mitteilen, ist vertraulich.«
»Das weiß ich zu schätzen, Herr Fabel. Aber ich wiederhole: Dieses Mädchen hat weder direkt noch indirekt für mich gearbeitet. Was ich sonst auch tue, ich lasse keine billigen Straßenprostituierten für mich laufen.«
»Könnte Herr Klugmann sie für private Zwecke eingesetzt haben?«
»Möglicherweise. Aber woher soll ich das wissen? Herr Klugmann ist keiner meiner Leute, obwohl Ihre Kollegen von der Abteilung Organisierte Kriminalität das zu glauben scheinen.«
»Sie müssen zugeben, dass jemand mit seiner beruflichen Entwicklung sehr nützlich für Ihre Organisation sein würde.«
»Herr Hauptkommissar, wir haben bisher freimütig miteinander gesprochen. Im selben Geist der Offenheit teile ich Ihnen Folgendes - allerdings vertraulich - mit: Herr Klugmann ist eine Randfigur. Sie haben Recht, durch seine Vorgeschichte mag er interessant erscheinen, aber niemand auf unserer Seite hat je volles Vertrauen zu ihm gehabt.«
Yilmaz nahm einen weiteren Schluck aus seiner Tasse. »Mein Cousin Ersin hatte Herrn Klugmann als stellvertretenden Geschäftsführer in einem unserer Clubs, der Tanzbar Paradies, beschäftigt, aber das ist auch alles.« Yilmaz lächelte schwach und setzte die Tasse erneut an den Mund. »Alles ganz legal.«
»Wir glauben, dass in der Wohnung von Herrn Klugmann eine Videokamera verborgen war. Sie fehlt genauso wie mögliche Videobänder. Sie sagen, Sie hätten nichts mit Straßenhuren zu tun. Aber so würde ich diese Frau nicht einstufen. Wenn, dann gehörte sie zur teureren Kategorie. Was ist mit Erpressung? Liegen Ihnen hierüber irgendwelche Informationen vor?«
Yilmaz' Körper straffte sich in dem Ledersessel. »Nun wird die Sache etwas ermüdend, Herr Fabel. Ich habe Ihnen doch mitgeteilt, dass ich bisher nichts von der Existenz dieser Frau wusste, ganz zu schweigen von irgendwelchen Plänen, die Herr Klugmann und sie geschmiedet haben mögen.« Er lehnte sich wieder zurück. »Lassen Sie mich Ihnen etwas erklären. Ich lebe seit mehr als der Hälfte meines Lebens in diesem Land. Als ich hier eintraf, merkte ich sehr bald, dass Türken nur gewisse Türen offen standen. Und die Tür, die mir offen stand, war die meines Cousins Ersin. Wie Sie wissen, waren alle meine Aktivitäten für ihn legaler Natur. Da Ersin nun tot ist, untersteht das gesamte Unternehmen meiner Kontrolle, und ich versichere Ihnen, dass ich keinerlei illegale Geschäfte dulden werde.«
»Und was ist mit dem Hamburger Drogengeschäft?«
»Ich hoffe, Sie warten nicht auf ein Geständnis.« Yilmaz lächelte kalt. »Ich weiß, dass Herr Buchholz mich für einen türkischen Al Capone hält. Aber ich habe keinerlei Interesse daran, die Gesetze zu übertreten. Ob Sie's glauben oder nicht, ich bin sehr moralisch eingestellt. Allerdings hat das Gesetz manchmal sehr wenig mit Gerechtigkeit zu tun. Unabhängig davon kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Herr Hauptkommissar Buchholz darüber ärgert, dass ich, ein Türke und in seinen Augen ein Gauner, das tue, was er seit Jahren versucht: die Ulugbay-Organisation auszulöschen. Möglicherweise ist Ersin vor ein bisschen Erpressung nicht zurückgeschreckt, vor allem, wenn es um Machtfragen ging. Aber das ist ganz sicher nicht mein Stil.«
Yilmaz sprang auf und ging zu dem prunkvollen Marmorkamin hinüber. Er nahm ein Foto mit Silberrahmen vom Sims und zeigte es Fabel. Es war das Bild eines lächelnden Jungen von ungefähr vierzehn Jahren. Die kindliche Weichheit wich bereits aus dem Gesicht, und der gleiche kräftige Kiefer wie der von Yilmaz trat hervor.
»Ihr Sohn?«
»Ja. Johann. Ein deutscher Name für eine deutsche Zukunft. Er spricht nur ein wenig Türkisch, und auch das mit starkem deutschem Akzent.
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