Jan Fabel 01 - Blutadler
Seine Identität muss in diesem Land liegen, Herr Fabel. Ich sorge dafür, dass er ein absolut sauberes Familiengeschäft erben wird. Ein legales Unternehmen. Ein deutsches Unternehmen.«
Fabel gab ihm das Foto zurück. »Ich glaube Ihnen, Herr Yilmaz. Aber vorläufig führt Ihre Organisation noch Straßenkriege gegen die Ukrainer.«
Yilmaz' Züge verhärteten sich. »Es gibt keinen Krieg mit den Ukrainern. Das ist vorbei.«
»Manche halten Sie für den Hauptverdächtigen bei der Ermordung Ihres Cousins.«
Yilmaz' Augen blickten kalt und blieben unverwandt auf Fabel gerichtet. »Herr Hauptkommissar, soll ich Ihnen sagen, was ich über Sie denke?«
Fabel hob die Schultern. »Meinetwegen. Nur zu.«
»Sie sind Polizist, ein ehrlicher und fairer Polizist, wie ich glaube. Offensichtlich sind Sie ein intelligenter Mann, aber Sie haben eine zu schlichte Einstellung gegenüber Ihrer Aufgabe - oder Pflicht, wie Sie vermutlich sagen würden. Sie halten es für Ihren Auftrag, die Unschuldigen zu schützen und diejenigen zu fassen, die ihnen schaden könnten. Leute in kriminellen Organisationen etwa. Oder Psychopathen oder andere vom Schicksal Heimgesuchte, die mit einfachen Begriffen wie Gut und Böse nicht zu beschreiben sind. Für Sie ist das Gesetz alles. Es ist Ihr Schild, der Schild, mit dem andere geschützt werden.«
»Und deshalb bin ich aus irgendeinem Grund irregeleitet?«
»Eher naiv, wie ich sagen würde. Es ist eine moralische Farbenblindheit. Für Sie repräsentiert das Gesetz die Kräfte des Guten, während Menschen wie ich für das Böse stehen. Einige Ihrer Kollegen sind sich der Schattierungen stärker bewusst. Manchmal verkörpern sie die Nuancen dazwischen.«
»Wollen Sie behaupten, dass Polizeibeamte etwas mit Ulugbays Tod zu tun hatten?«
»Herr Fabel, ich sage nur, dass dort draußen eine Menge vor sich geht, was jemand wie Sie niemals verstehen kann. Und mit Verlaub, ich glaube, Sie sollten sich raushalten.« Yilmaz erhob sich. »Tut mir Leid, dass ich Ihnen bei Ihren Ermittlungen nicht helfen kann.«
Fabel stellte seine Kaffeetasse auf den antiken Serviertisch. »Herr Yilmaz, dort draußen läuft ein Ungeheuer herum. Der Mann reißt Frauen buchstäblich die Lunge aus dem Leib. Ich brauche so viel Hilfe wie möglich, um ihn aufzuhalten. Wenn Sie mir etwas mitteilen können ...«
»Ich weiß wirklich nichts über diese Frau oder über Herrn Klugmanns mögliche Vereinbarungen mit ihr.« Yilmaz schien etwas abzuwägen. »Aber ich werde Nachforschungen darüber anstellen lassen, ob es jemanden gibt, der Kontakt zu gewissen Leuten hat, die nicht mit der Polizei reden würden. Und natürlich können wir bei unserem Vorgehen - sagen wir mal, direkter sein. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen Bescheid gebe, wenn wir etwas herausfinden.«
Yilmaz geleitete Fabel persönlich zur Tür, trat mit ihm hinaus und drehte sich um. »Gefällt Ihnen mein Heim, Herr Fabel?«
»Ja. Es ist sehr beeindruckend.«
»Es wurde um die Jahrhundertwende gebaut. Der Architekt hat mehrere Gebäude in Rotherbaum entworfen. Ein deutscher Architekt von tadellosem Ruf und mit einem der erfolgreichsten Büros des Landes. Ein reicher, geachteter und erfolgreicher Mann.« Yilmaz schaute Fabel an. »Aber er war Jude und starb im Konzentrationslager Dachau. Deshalb, Herr Fabel, unterscheide ich zwischen dem, was legal, und dem, was moralisch ist. Und es gibt eine Grenze meines Deutschtums. Zwar hege ich große Hoffnungen für meinen Sohn, aber ich weiß, dass ich selbst immer ein Außenseiter sein werde. Auf Wiedersehen, Herr Fabel. Und viel Glück bei Ihrer Jagd.«
Fabel rief die Mordkommission von seinem Auto aus an. Er hatte Maria beauftragt, sich auf die Spur des von Otto erwähnten John MacSwain zu setzen. Ein so ungewöhnlicher Name würde in Hamburg nicht schwer zu finden sein, und Maria würde dies schneller erledigen können als Otto, der seine Belege auf eine Scheckkartenabbuchung hätte durchsuchen müssen. Werner meldete sich und teilte ihm mit, Maria habe in Harvestehude eine Adresse für einen John MacSwain gefunden. Weitere Informationen lägen noch nicht vor.
»Ich hab noch was Seltsames für dich, Chef«, sagte Werner. »Bin von einem Hauptkommissar Sülberg aus Cuxhaven angerufen worden. Er möchte, dass du dich so bald wie möglich bei ihm meldest. Er hat zwei Fälle von mehrfacher ritueller Vergewaltigung. Seiner Meinung nach könnten sie etwas mit unserem Serienmörder zu tun haben. Ach ja, diese
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