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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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benötige. Er reiste durch die Internierungslager und befreite Dutzende von SS-Männern, die sich dem neuen Dienst anschlossen. Dabei hatte Gehlen die volle Unterstützung und Zustimmung der Alliierten. Anscheinend war damals nicht der richtige Zeitpunkt, sich wegen ein paar Millionen Juden sentimental zu zeigen.
    Die Organisation Gehlen und der neue BND waren alles andere als erfolgreich. Die Stasi hatte die Organisation von Anfang an infiltriert, und es kam zu einer Reihe Aufsehen erregender Fehlschläge. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands verlor der BND seinen ursprünglichen Daseinszweck und hielt Ausschau nach einer neuen Rolle. Der Kampf gegen den Terrorismus, dem er sich seit den späten 1960ern widmete, wurde zu seiner zentralen Funktion. Aber nun galt es, sich nicht nur mit etablierten linken Gruppen wie der Rote Armee Fraktion, sondern auch mit aufkommenden rechtsradikalen Vereinigungen zu befassen. Mitte der Neunzigerjahre beschloss man dann, den BND zusätzlich für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen einzusetzen, was Fabel und andere Karrierepolizisten mit tiefer Skepsis aufnahmen. Fabel wusste, dass die bösen Mechanismen des nationalsozialistischen Staates lange Schatten warfen, die den Bundesnachrichtendienst halb bedeckten. Er traute dem BND nicht, und Volker war ein Angehöriger des BND.
    Ein paar Wolken glitten über den strahlenden Himmel. Fabels Blick aus dem Fenster und über die Stadt hinweg blieb abwesend, als schaue er über das Sichtbare hinaus. Von Volker zu Klugmann. Vom BND zur GSG 9.
    Fabel hatte Klugmanns unverfälschte Personalakte auf seinem Schreibtisch liegen. Er wandte sich vom Fenster ab und musterte das Foto erneut. Klugmanns Status innerhalb der Ermittlung hatte sich geändert, und Fabel sah ihn nun aus einer anderen Perspektive. Das Gesicht auf dem Foto war dasselbe, doch nun maß Fabel den Zügen eine andere Bedeutung bei. Es schien festzustehen, dass Klugmann Mitglied der GSG 9 war, wodurch er offiziell Polizist blieb. Die Grenzschutzgruppe 9 gehörte zum Bundesgrenzschutz, doch ihre Angehörigen überprüften keine Pässe und suchten nicht unter Obstlastwagen nach Asylbewerbern. Ironischerweise war die GSG 9 aus dem Misstrauen Deutschlands sich selbst gegenüber entstanden. 
    Die Entscheidung, die Olympischen Spiele von 1972 in München abzuhalten, hatte einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte markiert. Das geistige Bild, das sich ergab, wenn man die Begriffe »Deutschland« und »Olympia« zusammenfügte, würde nicht mehr damit beginnen und enden, dass, wie 1936 bei den Spielen in Berlin, Hakenkreuzfahnen über dem Stadion flatterten.
    Um 4.30 Uhr am Morgen des 5. September 1972 war es noch dunkel. Eine kleine, als Sportler gekleidete und mit Sporttaschen ausgerüstete Gruppe bahnte sich leise ihren Weg durch das Olympische Dorf in München. Ihr Ziel war die Connollystraße 31, die Unterkunft der israelischen Mannschaft. Sechzehn Stunden später war die Startbahn des Bundeswehrflugplatzes Fürstenfeldbruck, fünfundzwanzig Kilometer nordwestlich von München, mit den verbogenen Metallstücken eines explodierten Hubschraubers, den Leichen von fünf Terroristen der palästinensischen Untergrundorganisation »Schwarzer September«, einem Polizisten und neun israelischen Geiseln übersät. Zwei weitere israelische Sportler waren schon vorher im Olympischen Dorf ermordet worden.
    Da die Gräueltaten der SS im Gedächtnis der Nation weiterlebten, hatte Deutschland sich das Recht versagt, eine militärische Eliteeinheit zur Terroristenbekämpfung nach Art der britischen SAS oder der amerikanischen Delta Force aufzubauen. Das Ergebnis war ein katastrophaler, improvisierter Rettungsversuch durch schlecht ausgebildete Scharfschützen gewesen. Außerdem waren siebzehn Tote dem unverwandten Blick der internationalen Medien ausgesetzt.
    Innerhalb von sechs Monaten wurde die GSG 9 von Ulrich Wegener, einem dreiundvierzigjährigen Oberstleutnant ostdeutscher Herkunft, aufgebaut und befehligt. Wegener war den DDR-Behörden ein Dorn im Auge gewesen, und die Stasi hatte dafür gesorgt, dass er wegen seines Einsatzes für Demokratie und Wiedervereinigung zwei Jahre lang inhaftiert wurde. Nach seiner Entlassung war Wegener in den Westen geflüchtet und hatte sich den westdeutschen Sicherheitskräften angeschlossen.
    Die neue Einheit beruhte auf einer einfachen Voraussetzung: Die GSG 9 war keine militärische Formation, sondern eine reine Polizei-Einheit von 350 Mann, die

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