Jan Fabel 01 - Blutadler
noch nicht. Ich habe gehofft, dass wir beide Blüms früheren Geliebten vernehmen könnten, um es herauszufinden.«
»Dazu brauchst du mich doch nicht«, erwiderte Fabel verwundert.
»Oh, ich glaube schon.« Werners zerklüftete Züge verschoben sich zu einem ironischen Lächeln. »Und es würde mich nicht überraschen, wenn auch Kriminaldirektor van Heiden mitkommen wollte.«
»Wieso?«
»Angelika Blüms damaliger Liebhaber - insgesamt vier Jahre lang - war ein junger linksgerichteter Journalist mit politischen Ambitionen. Er hieß Hans Schreiber.«
Fabel starrte Werner an. »Nicht der Hans Schreiber. Nicht der Erste Bürgermeister?«
»Genau der.«
Fabel zog die Augenbrauen hoch. »Was hast du noch?«
»Frau Blüm hatte eine gute Freundin, die für den Norddeutschen Rundfunk arbeitet. Erika Kessler. Ich habe mit ihr telefoniert. Ein bisschen kratzbürstig, aber sehr erschüttert über Blüms Tod. Sie scheint etwas, wenn auch nicht viel, über das Projekt zu wissen, an dem Frau Blüm gearbeitet hat. Ich habe mit ihr ein Treffen vereinbart.«
»Irgendwas über den Mann, der mich in Angelika Blüms Wohnung überfallen hat?«
»Leider nicht, Chef, obwohl wir uns alle Mühe gegeben haben.«
Der Rest der Besprechung war den verschiedenen Verhörterminen und der Aufgabenverteilung gewidmet. Fabel wollte die Konferenz gerade beenden, als sein Handy klingelte. Er erkannte die Stimme sofort. »Einen Moment.« Fabel nahm das Telefon vom Ohr und wandte sich an sein Team: »Gut, Leute, haltet mich über sämtliche Entwicklungen auf dem Laufenden.«
Er ging in sein Büro, schloss die Tür hinter sich und hielt das Handy wieder an sein Ohr. »Mahmoot, wo zum Teufel steckst du denn? Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Hör zu, du brauchst keine Nachforschungen nach den Ukrainern oder der toten Frau mehr anzustellen. Wir wissen, wer sie ist, und es wäre zu gefährlich für dich, deine Nase in die Sache zu stecken.«
»Dafür ist es wohl ein bisschen zu spät, Jan. Allerdings habe ich mich sowieso im Hintergrund gehalten. Es klingt nach einem schlechten Film, aber ich glaube, dass ich verfolgt werde. Werde mich eine Zeit lang verkrümeln, aber du musst einen Namen überprüfen.«
»Welchen denn?«
»Witrenko. Wassyl Witrenko. Vielleicht ist er sogar als Oberst Witrenko bekannt.«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist der Teufel, Jan!«
Hamburger Hafen,
Mittwoch, den 18. Juni, 15.00 Uhr
Der Sommer war in Hamburg eingetroffen, und die Temperatur war in die Höhe geschnellt. Paul, Werner und Fabel hatten sich die Jacketts ausgezogen, und Maria saß auf einer niedrigen Mauer neben den ellbogenhohen Tischen. Ihre Beine in der eleganten Hose waren übereinander geschlagen und ihre Finger um die Knie verschränkt. Die Sonne glänzte auf der hellblauen Seide ihrer Bluse. Sie hatten ihre Halfter und Waffen im Kofferraum von Fabels BMW-Cabrio eingeschlossen, und wären nicht Werners grobe Gesichtszüge und Annas Neopunk-Schick gewesen, hätte man sie für eine Gruppe von Unternehmensanwälten halten können, die mit einem Schnellimbiss unten am Hafen vorlieb nahmen. Nachdem der stets fröhliche Dirk ihnen gekühltes Bier serviert hatte - Fabel entschied sich für das übliche Jever -, versammelten sie sich um zwei Tische in einiger Entfernung von den beiden Hafenarbeitern, die die einzigen anderen Gäste waren. Alle wussten, dass Fabel seine eigenen gut geschützten Quellen hatte, und niemand fragte, woher seine neuen Informationen stammten.
»Unser Freund Volker enthält uns eine Menge vor, obwohl er uns versprochen hat, ehrlich zu sein. Ich bekomme mehr Informationen von meinem inoffiziellen Gewährsmann als vom Bundesnachrichtendienst. Allerdings bin ich mir nicht sicher, welche Rolle die Ukrainer für unsere Ermittlung spielen. Aber es besteht die Möglichkeit, dass diese Leute Klugmann ermordet haben. Und außerdem spricht alles dafür, dass sie Ulugbay umgebracht haben, um seine kolumbianischen Drogenkontakte zu übernehmen.« Alle warteten, bis Fabel einen Schluck von seinem Jever genommen und damit zwei Tabletten hinuntergespült hatte. »Das Top-Team, wie Volker es nennt, besteht aus früheren Speznaz-Angehörigen. Das sind keine gewöhnlichen Schlägertypen. Laut meinem Informanten haben sie alle in Tschetschenien und Afghanistan gedient. Ihr Anführer ist ein gewisser Oberst Wassyl Witrenko. Der Mann hat einen grässlichen Ruf, und es genügt, seinen Namen zu erwähnen, um die anderen
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