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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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33.
    Krankenhaus Mariahilf, Hamburg-Heimfeld, Dienstag, 30. März, 20 Uhr
    »Mama, leider kann ich heute Abend nicht so lange bleiben. Ich muss noch viele Vorbereitungen treffen. Zurzeit habe ich eine Menge um die Ohren, das kann ich dir sagen.« Er schobseinen Stuhl noch näher an das Bett heran und schaute verschwörerisch um sich, bevor er ihr ins Ohr flüsterte: »Ich habe noch eine erledigt. Wieder ist eine Geschichte zum Leben erweckt worden. Diese war sehr traurig. Ich konnte es ihrem schönen Gesicht ansehen, als sie mich in ihre riesengroße, leere Villa einließ. Eine Prinzessin in einem Elfenbeinturm. Ich habe ihr einen großen Gefallen getan, Mama. Und ich wollte wirklich nicht, dass sie sich lange quält. Nun muss ich natürlich alles für deine Heimkehr vorbereiten. Auch das kostet mich viel Mühe.«
    Er schwieg eine Weile und strich über das Haar der alten Frau. »Du wirst dich schrecklich quälen. Das garantiere ich dir.« Außerhalb des Zimmers waren die Schritte von Holzschuhen zu hören, als eine Krankenschwester durch den Korridor eilte. »Was ich tue, ist wunderbar, Mutter. Ich lasse sie in ihre Kindheit zurückkehren. In den kostbaren Momenten, die ich mit ihnen teile – bevor sie sterben, meine ich –, legen sie alles ab, was sie geworden sind. Jahre des Erwachsenenlebens sind ausgelöscht, und sie werden wieder zu kleinen, verängstigten Kindern. Zu verlorenen Seelen, die entsetzt sind, weil sie so wenig von den Geschehnissen begreifen.«
    Er verstummte, und es wurde still im Zimmer. Nur vom Korridor her, aus einem anderen Universum, war der ferne Klang eines von Gelächter unterbrochenen Gesprächs zu hören. Dann fuhr er fort: »Die Polizei war da, um mir Fragen zu stellen, Mama. Es sind wirklich sehr dumme Leute. Sie glauben, alle Lösungen zu kennen, aber sie wissen nichts. Sie haben nicht die geringste Ahnung, mit wem sie es zu tun haben. Und womit. Sie werden mich nie kriegen.« Er lachte leise. »Jedenfalls nicht, bevor du und ich nicht unseren Spaß gehabt haben. Was erschreckt dich mehr, Mutter: die Tatsache, dass du sterben wirst, oder die Tatsache, dass du nicht schnell genug sterben wirst? Macht der Schmerz dir Angst? Der Gedanke daran? Es wird unglaublich sein, das kann ich dir versichern. DeinSchmerz wird wirklich unvorstellbar sein. Und es ist fast so weit, Mama… nicht mehr lange.«

34.
    Hamburg-Pöseldorf, Sonntag, den 11. April, 2.45 Uhr
    Fabel lag da und lauschte Susannes gleichmäßiger, tiefer Atmung. Ihre Gegenwart wurde immer beruhigender für ihn, und die Träume stellten sich nicht so häufig ein, wenn sie neben ihm war. Ihre Anwesenheit schien ihn zu trösten und ihm zu einem besseren, tieferen Schlaf zu verhelfen. Aber heute Nacht überschlugen sich seine Gedanken. Es gab unendlich viel zu tun. Dieser Fall breitete sich aus wie ein dunkler Tumor und verdrängte die wenigen Momente, die Fabel noch für ein Privatleben blieben. So viele Dinge auf seiner geistigen Checkliste waren noch nicht abgehakt. Seine Mutter wurde älter, und seine Tochter wuchs heran. Keine von beiden erhielt die Zeit, die sie verdiente – die Zeit, die Fabel ihnen widmen wollte. Seine Beziehung zu Susanne war gut, nahm aber nicht die klare Form an, die sie in diesem Stadium hätte bekommen sollen. Fabel wusste, dass er es auch hier an Aufmerksamkeit fehlen ließ. Er war überrascht über den scharfen Stich der Panik in seiner Brust, als er daran dachte, sie vielleicht zu verlieren.
    Er hatte seine Mutter in den vergangenen Tagen mehrere Male angerufen, aber er musste die Zeit finden, sie wieder in Norddeich zu besuchen. Lex hatte dem geschäftlichen Druck nachgeben und nach Sylt zurückkehren müssen, um sein Restaurant zu führen. Seine Mutter beharrte darauf, dass sie durchaus fähig sei, für sich selbst zu sorgen, doch Fabel wollte sich persönlich davon überzeugen.
    Er schwang die Beine über die Bettkante und blieb einen Augenblick lang sitzen. Wohin er sich auch wandte, es gab sovieles, was seine Aufmerksamkeit zu fordern schien. Zumindest hatte er die Lücke in seinem Team gefüllt. Doch sogar das verursachte Probleme. Anna wies Henk Hermann ein, aber Fabels unorthodoxe Rekrutierungsmethoden hatten die Bürokraten innerhalb der Hamburger Polizei verärgert. Rein formell hätte es Fabel keine Mühe bereiten sollen, Hermann aus der Schutzpolizei zu übernehmen, denn dieser hatte bereits die notwendige Ausbildung an der Landespolizeihochschule neben dem

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