Jan Fabel 05 - Walküre
Dirk Hechtner. »Dies ist einer der Gegenstände, die ich in Margarethe Paulus' Wohnung gefunden habe. Wir haben an dem Leder Blutspuren entdecken können, und wir haben etwas getrocknetes Blut vom unteren Teil der Klinge ablösen können. Oder wenigstens Astrid Bremer konnte es. Allerdings reichte es nicht für einen Vergleich.«
»Einen Vergleich womit?«, fragte Fabel. »Nichts deutet darauf hin, dass es bei Dreschers Ermordung benutzt wurde.«
»Nein, ich rede nicht von Drescher. Ich habe nachgeforscht, um was es sich bei diesem verdammten Ding handelt. Nun weiß ich, wie es heißt: srbosjek. Ich dachte, es könnte die Waffe sein, mit der Goran Vujacic in Kopenhagen ermordet wurde. Ihr wisst schon, der serbische Gangster.«
»Vujacic?« Fabel zog die Brauen zusammen. »Wie kommst du auf eine Verbindung zu Vujacic?«
Hechtner nickte zu dem Objekt in der Spurensicherungstüte hinüber. »Das ist ein besonders grässliches Instrument, das allein zu Mordzwecken benutzt wird. Es wurde für die Ustascha entwickelt, die Faschisten, die Kroatien im Zweiten Weltkrieg regierten. Sie strebten ein ethnisch gesäubertes Kroatien an, ohne Serben, Zigeuner, Juden ... Dazu gründeten sie ein eigenes Konzentrationslager, Jasenovac, wo sie eine Million Menschen oder mehr umbrachten. Dabei gingen sie sehr körpernah vor. Sie knüppelten, stachen oder hackten ihre Opfer zu Tode, was äußerst arbeitsintensiv war. Also ersannen sie den srbosjek. Er diente dazu, Kehlen mit maximaler Geschwindigkeit und minimalem Aufwand zu durchschneiden. Deshalb habe ich die Verbindung zu Vujacic hergestellt: srbosjek ist kroatisch und bedeutet >Serbenschneider<. Ich dachte, dass vielleicht jemand eine poetische Anwandlung hatte.«
»Wahrscheinlicher ist, dass uns etwas mitgeteilt werden soll.« Fabel griff nach dem Spurensicherungsbeutel. Der srbosjek war ein hässlicher, teuflisch wirkender Gegenstand, selbst wenn man seine Geschichte nicht kannte. »Aber dies war bestimmt nicht die Waffe, mit der Vujacic ermordet wurde. Man hat ihm nicht die Kehle durchgeschnitten. Die Klinge, mit der er getötet wurde, glich eher einem dünnen Stilett oder einer Nagelfeile und wurde unter dem Brustbein ins Herz gestoßen. Trotzdem gute Arbeit, Dirk. An der Sache könnte etwas dran sein.«
Fabel traf sich in der Präsidiumskantine mit Susanne zum Mittagessen. Sie hatte eine Stunde mit Köpke, dem Chefarzt der staatlichen Mecklenburger Psychiatrie, telefoniert. Außerdem hatte Karin Vestergaard Fabel angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie ein paar Dinge mit ihrem Büro abklären müsse. Irgendetwas an ihrer Ausdrucksweise am Telefon hatte ihn vermuten lassen, dass sie nicht ganz ehrlich ihm gegenüber war. Doch er verwarf den Gedanken, denn die Dänin wusste schließlich, dass Fabel sie nicht mehr an der Untersuchung von Jespersens Tod teilnehmen lassen würde, wenn sie ihm etwas vorenthielt.
»Du siehst müde aus«, sagte Fabel, während Susanne und er ihre Tabletts nahmen und in einer Schlange aus blauen Uniformen vorrückten. Susanne hatte sich ein großes, dickes, in Leder gebundenes Notizbuch unter den Arm geklemmt. Aus den Seiten quollen Haftnotizen wie Laubwerk hervor, und sie hatte weitere gefaltete Papierbögen hineingestopft.
»Ich musste eine Menge verarbeiten«, antwortete sie matt. »Hast du nicht auch schon einmal mit Köpke gesprochen?«
»Ich hatte das Vergnügen«, nickte Fabel mit gequältem Lächeln.
»Seit meiner Zeit als Erstsemester hat vermutlich niemand mehr so auf mich eingeredet.« Susanne unterbrach sich, um ihre Bestellung bei der Kantinenbedienung aufzugeben. »Er ist nicht der Geduldigste, oder? Überhaupt scheint er für einen Psychiater nicht sehr kontaktfähig zu sein.«
»Wenn du meinst, dass er ein Armleuchter ist«, sagte Fabel, »dann muss ich deiner professionellen Einschätzung zustimmen. Ich dachte, ihr Südlichter wäret direkt und freimütig.«
»Ich akklimatisiere mich. Noch ein oder zwei Jahre hier oben, und ich werde alle Emotionen tief in meinem Innern verschließen, bis sie mich von innen auffressen, genau wie euch alle. Jedenfalls musste ich mir, ob er nun ein Armleuchter ist oder nicht, bei meinem Gespräch mit ihm jede Menge Notizen machen. Er war gut vorbereitet. Und er glaubt, auch wir sollten es sein, bevor wir wieder mit Margarethe Paulus reden.«
»Er könnte recht haben«, meinte Fabel.
»Was ist mit deinem Kopf?«, fragte Susanne.
»Alles bestens. Die Sache war
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