Jan Fabel 05 - Walküre
Arten der Informationswahrnehmung und -Verarbeitung gibt. Uns nennt sie NTs ... neurologisch typische Menschen.«
»Ich dachte, Leute mit Asperger-Syndrom hätten Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber sie ist Ihre Freundin ...«, sagte Karin Vestergaard auf dem Rücksitz.
»Eine gute Freundin«, bestätigte Anna. »Sandra hat auf einigen Gebieten Schwierigkeiten, die sie aber durch Fähigkeiten in anderen Bereichen kompensiert. Und sie hat sich Bewältigungsstrategien beigebracht. Ich habe gelernt, keine Urteile zu fällen. Lustigerweise meint Sandra, eine der Klischeevorstellungen von Aspies sei die, dass sie kaum oder wenig Einfühlungsvermögen hätten. Deshalb sei es oft schwer, einen männlichen Aspie zu identifizieren - denn wer kann schon den Unterschied zu einem normalen Mann erkennen?«
Karin Vestergaard lachte laut, und Fabel zuckte die Achseln. »Eines steht jedenfalls fest«, sagte er. »Deine Freundin Sandra hat uns wahrscheinlich zu dem bisher größten Durchbruch in diesem Fall verholfen.«
Die vorläufigen Ergebnisse der Spurenuntersuchung von Sparwalds Haus hatten, wie erwartet, wenig erbracht. Fabel war dennoch überrascht, wie viel Astrid Bremer aus dem spärlichen Material hatte erschließen können. Sie hielt sich noch in Poppenbüttel auf, als sie ihn in seinem Büro im Präsidium anrief.
»Ich habe die Leiche abtransportieren lassen, und wir bekommen natürlich noch den Autopsiebericht. Aber ich nehme an, dass das Opfer bereits tot war, bevor es auf den Boden aufschlug. Die Mörderin schoss noch eine Kugel auf ihn ab: an dem schon liegenden Körper entlang, wodurch eine Eintrittswunde unter dem Kinn erzeugt wurde. Eine sehr gekonnte Arbeit. Der zweite Schuss diente wahrscheinlich der Absicherung. Professionelle Sorgfalt.«
»In der Nähe von Oslo ist es zu einem ähnlichen Mord gekommen«, sagte Fabel. »Genau der gleiche Modus.«
»Ich glaube, dass das Opfer die Mörderin nicht ins Haus einließ. Neben Sparwald lag ein Buch auf dem Boden. Keine Abdrücke außer seinen eigenen. Er muss es fallen gelassen haben, als er erschossen wurde. Und ich habe Pulverspuren an der Wand neben der Wohnzimmertür und an der Türkante gefunden. Erneut keine Abdrücke am Türgriff oder sonst wo. Vermutlich öffnete die Täterin die Wohnzimmertür, trat ein und feuerte, bevor das Opfer reagieren konnte. Die Mörderin brauchte nicht weiter in das Zimmer vorzudringen, also kehrte sie durch den Flur zurück zur Haustür. Es war nur eine Ahnung, aber ich hatte recht ... Nichts an der Tür lässt erkennen, dass sie aufgebrochen wurde, doch um das Schloss herum gibt es einige frische Kratzer. Sie muss es geknackt haben.«
»Aber nichts, was uns zu ihrer DNA verhilft? Oder irgendeine andere Spur?« Fabel konnte seine Frustration nicht verbergen.
»Ein schwacher Schuhteilabdruck im Flur mit Erdspuren aus dem Garten, aber er könnte sonst wem gehören und wer weiß wann entstanden sein. Ohnehin ist er nicht vollständig genug, um uns einen Vergleich zu ermöglichen.«
»Großartig«, knurrte Fabel.
»Tut mir leid, ich habe mein Bestes getan«, beteuerte Astrid aufrichtig. »Ich habe alles dreimal überprüft und es mit allen Tricks versucht. Es gab einfach nichts, was man finden konnte.«
»Es ist nicht Ihre Schuld. Holger hat mir versichert, dass Sie am besten befähigt sind, selbst kleinste Details aufzuspüren. Außerdem hat er noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, der sich so gut auf kalte Tatorte versteht wie Sie.«
»Vielen Dank«, erwiderte Astrid. »Aber wer immer Sparwald ermordet hat, ist besser als ich.«
Nach dem Telefonat machte sich Fabel zum Hauptbesprechungsraum der Mordkommission auf. Werner, Anna, Henk und Dirk warteten bereits auf ihn. Er hatte auch Karin Vestergaard eingeladen, die ein paar Minuten später kommen würde.
»Wisst ihr«, meinte Werner, »wenn wir eine Walküre suchen, würde es nicht schaden, sich die dänische Eisjungfrau vorzunehmen. Ein wirklich kalter Typ.«
»Aber nach meinem Eindruck ist sie eine gute Polizistin«, entgegnete Fabel.
»Tja«, schaltete sich Anna ein, »wenn wir schon dabei sind, uns zu fragen, über welche Leute wir nachdenken sollten ... Also ernsthaft, es gibt zwei Frauen, die wir uns vielleicht gründlicher anschauen könnten. Martina Schilmann und Petra Meissner.«
»Wieso Martina?« Fabel musterte Annas Gesicht. »Sie war doch früher bei der Polizei Hamburg, Herrgott noch
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