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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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ganz anderes als das Tal der Ahnungslosen«, sagte Martina mit einem selbstge­fälligen Grinsen. Doch es war eine warmherzige Spöttelei, denn im »Tal der Ahnungslosen« - jenem Teil der früheren DDR, in dem man das westdeutsche Fernsehen nicht vor dem Fall der Mauer hatte empfangen können - hatten die friedlichen Mon­tagsdemonstrationen begonnen, durch die das kommunistische Regime letztlich gestürzt worden war.
    »Das am Rande«, fuhr Martina fort. »Wir waren gerade da­bei, Westland von einem Konzert in der Sporthalle zurück zum Hotel Vier Jahreszeiten zu bringen, als er plötzlich verkündete, er wolle die Reeperbahn sehen. Nie da gewesen, alles Mögliche darüber gehört, die Beatles - all der Quatsch. Ich habe ihm ver­sichert, dass die Reeperbahn gar nicht so toll ist und außerdem nicht auf der Strecke zum Hotel liegt. Aber er hat sich aufge­regt, und deshalb haben wir eine kurze Stadtführung gemacht.«
    »Nach einem Konzert hätte er doch eigentlich zu müde sein müssen«, meinte Fabel.
    »Mag sein, aber er wirkte ziemlich munter. Er hatte hinten im Wagen ausgiebig rumgeschnieft, und ich glaube nicht, dass er eine Erkältung hatte, wenn du weißt, was ich meine. All das wird die Autopsie klären. Komischerweise hatte er ein paar Leute verärgert, weil er nicht an der Party nach dem Konzert teilnehmen wollte ... Behauptete, er sei zu kaputt, und drängte uns dann, ihn zur Reeperbahn zu fahren. Also machten wir die Führung, aber Westland war nur an der Herbertstraße interes­siert und fing an zu kichern wie ein Schulmädchen. Wir brach­ten ihn hin. Aber weil ich eine Frau bin, durfte ich natürlich nicht rein. Darum habe ich ihn und Lorenz an einem Ende ab­gesetzt und am anderen auf die beiden gewartet. An dem Ende zur Davidwache. Westland hatte kein Problem, Lorenz irrezu­führen, und während ich glaubte, dass Westland bewacht wird, stand Lorenz in Wirklichkeit wie ein Idiot am anderen Ende herum und wartete ebenfalls. Als Nächstes erfuhr ich, dass Westland seine Eingeweide neu verpacken muss und dass mein Geschäft im Eimer ist.«
    »Er hat also darauf bestanden, die Herbertstraße zu besu­chen - speziell die Herbertstraße und nicht etwa die Große Freiheit. Könnte es vielleicht sein, dass die Sache abgesprochen war? Dass er vereinbart hatte, sich mit jemandem zu treffen, nachdem er dich vor der Herbertstraße abgeschüttelt hatte?«
    Martina runzelte nachdenklich die Stirn. »Das bezweifle ich. Es könnte zwar sein, aber mir kam das Ganze ziemlich spontan vor.«
    »Ich finde es nur seltsam, dass sich Westland, wenn er ein bisschen billige Aufregung brauchte, die Mühe gemacht hat, dir ausgerechnet an der Stelle zu entwischen. Merkwürdig ist auch, dass er sich nicht einfach für eines der Mädchen hinter den Fenstern entschieden hat. Er hatte doch behauptet, nie vorher in der Herbertstraße gewesen zu sein?«
    »Stimmt.«
    »Also muss er durch die Herbertstraße gerannt und am an­deren Ende verschwunden sein, bevor du dort eingetroffen bist, oder er hat die Abkürzung durch die Seitenstraße bei Nummer sieben genommen und ist am Erotic Art Museum herausge­kommen. Das sieht für mich nach Planung aus ... Als hätte er den Weg gekannt.«
    »Wahrscheinlich kannte er ihn nicht. Wie gesagt, ich glaube immer noch, dass er impulsiv gehandelt hat.«
    Martina beschrieb den Abend ausführlich: den genauen Ablauf, mit wem Westland gesprochen hatte und worüber, wie das Konzert verlaufen war. Sie war wieder zur Polizistin gewor­den und gab Fabel alle möglichen Informationen, ohne dass er nachzuhaken brauchte. Westland hatte vor dem Konzert zwei Telefongespräche geführt: eines mit seiner Frau, das zweite mit seinem Steuerberater über eine Investition oder ein sonstiges Geschäft.
    »Er hat einige Zeit allein in seinem Umkleideraum ver­bracht, bevor er die Bühne betrat«, erklärte Martina. »Mög­licherweise hat er dort mit seinem Handy jemanden angerufen oder hat sich anrufen lassen. Nach dem Auftritt gab es meines Wissens keine Kontakte - abgesehen von einem kurzen Tele­fonat mit der Frau, die das Konzert organisiert hat. Sie wollte unbedingt, dass er nach dem Konzert auf der Party mit der Hamburger High Society aufkreuzt. Meinem Eindruck nach war sie - ich meine die Veranstalterin - nicht gerade erfreut, als er absagte. Schließlich war das der Sinn der Sache gewesen: den Bekanntheitsgrad der Wohltätigkeitsorganisation zu steigern, und nach all den Bemühungen konnte es doch nicht zu

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