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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Geste - so ausladend wie ihre zahllosen Kleidungs­schichten es zuließen -, mit der sie das geborstene Pflaster, den Flecken struppigen Grases, die weggeworfenen Flaschen und ein benutztes Präservativ umfasste. »Dadurch würde das Am­biente ruiniert werden, das ich mir hier aufgebaut hab.« Sie gluckste über ihren eigenen Witz. »Also wollen Sie was über den Kiez zeigen? Über die Morde? Hier haben se nämlich den letzten Kerl gefunden.«
    »So etwas Ähnliches. Und ich weiß, dass das letzte Opfer hier gefunden wurde. Deshalb möchte ich mit Ihnen reden. Ist dies Ihre gewohnte Stelle?«
    »Die Bullen haben mich schon danach gefragt. Die haben deswegen Hummeln im Arsch.«
    »Ist dies Ihre gewohnte Stelle?«, wiederholte Sylvie. Sei geduldig. Lächle. Biete Geld an. »Ich kann für Informationen bezahlen. Jedenfalls wenn sie gut genug sind. Ist dies Ihre ge­wohnte Stelle?«
    »Dies is mein Wohnsitz«, verkündete die alte Frau würde­voll. »Wie viel?«
    »Das kommt darauf an. Schlafen Sie in einem Obdachlosen­asyl?«
    »Manchmal. Wenn es zu kalt is. Manchmal schlafe ich hier.«
    »Es gibt doch bestimmt etwas Besseres. Ich meine, das So­zialamt würde Ihnen helfen, eine Unterkunft zu finden.«
    »O ja, ich weiß ...« Ein weiteres Glucksen mit demolierten Zähnen. »Die haben mir eine Villa in Blankenese angeboten, aber ich hab gesagt, dass das nich anspruchsvoll genug für je­manden mit meiner Lebensart is.«
    Sylvie zuckte die Achseln. »Na schön, die Polizei hat also mit Ihnen gesprochen. Was wollte sie wissen?«
    »Ob ich in der Nacht, als der Kerl ermordet wurde, irgend­was gesehen hatte. Ich hab Nein gesagt. Es war zu kalt, deshalb hab ich mich im Rote-Kreuz-Heim aufs Ohr gehauen. Vorher hab ich hier bis ungefähr elf getrunken, aber nichts gesehen. Dann wollten sie wissen, ob ich 'n Taxi in der Gegend bemerkt hatte. Mit 'ner Fahrerin.«
    »Ein Taxi?«
    »Ja. Sie meinten, es hätte vielleicht kein Taxischild gehabt.«
    »Haben sie gesagt, warum sie ein Taxi finden wollten?«
    »Klar ... Die Polizei teilt mir so was immer mit. Wir reden über solche Fälle. Ich bin Spezialberaterin.«
    »Moment, Sie können die Klugscheißerin spielen oder sich Geld verdienen. Nicht beides.«
    Die Pennerin hob ihre gepolsterten Schultern. »Nur 'n klei­ner Witz. Nein ... sie haben mir keine Erklärung gegeben.«
    »Noch was?«
    »Sie haben mir ein Bild gezeigt. Wohl von dem Mann, der umgelegt worden is. Ich hatte ihn nie gesehen. Das hab ich auch gesagt.«
    »Hat man Ihnen den Namen des Toten genannt?«
    »Nein ... Aber sie meinten, er war ungefähr dreißig und nich sehr groß.«
    »Pennt hier sonst noch jemand?«
    »Nein, is zu weit draußen. Ich schlafe hier, weil ich 'ne Frau bin. Woanders isses nicht sicher.«
    Sylvie betrachtete die Pennerin. Sie sah wie eine Achtzig­jährige aus, war aber vielleicht erst vierzig. Kaum älter als Sylvie selbst. Wie konnte jemand in eine solche Situation geraten? Wahrscheinlich hatte die Stadtstreicherin alle möglichen Gräuel gesehen - und durchgemacht. Sylvie reichte ihr einen Fünfzig-Euro-Schein.
    »Danke.« Die Frau war hocherfreut über ihre Belohnung. Plötzlich ließ sie Eifer erkennen. »Kommen Sie morgen wieder vorbei. Ich werd ein paar andere fragen, ob ihnen was aufgefal­len is.«
    »Das wäre schön.« Sylvie lächelte. »Nur zu.«
     
    Sylvie fuhr zurück auf die Reeperbahn und parkte in der Nähe des Taxistands am Spielbudenplatz. Im Unterschied zu der Pennerin wussten die Fahrer, die auf Kunden warteten oder am Schnellimbiss eine Pause machten, ganz genau, wer Sylvie war. Sie brannten darauf, ihr zu helfen, besonders als sie andeutete, dass sie, falls sich etwas Lohnendes zutage fördern ließ, mit einem Kamerateam zurückkehren würde, um die Aussagen fil­men zu lassen. Doch leider hatten die Fahrer nicht viel zu bie­ten, obwohl ein oder zwei sich sehr freimütig über ihre Befra­gung durch die Polizei äußerten.
    Aus den gesammelten Informationsfetzen konnte Sylvie sich zusammenreimen, dass der Ermordete in einen elfenbein­farbenen Mercedes der E-Klasse gestiegen war, bei dem es sich nach Ansicht der Polizei wahrscheinlich um ein falsches Taxi gehandelt hatte. Diese Art Planung wirkte auf Sylvie geradezu professionell. Die Taxichauffeure ließen sie wissen, dass nun alle Ausschau nach dem unechten Wagen und der Fahrerin hielten.
    Während Sylvie sich am Spielbudenplatz aufhielt, fiel ihr ein, dass ein Besuch auf der Davidwache nützlich sein könne.

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