Jan Fabel 05 - Walküre
daraufhin, dass sie seine Worte verstand. Andererseits würde sie es sich nicht anmerken lassen, wenn sie des Deutschen mächtig war. »Offen gesagt, Herr Präsident, ich bin der Meinung, dass unsere ausländische Kollegin nicht so mitteilsam ist, wie sie es sein könnte.«
»Sie glauben, dass mehr an der Sache dran ist?«, hakte Steinbach nach.
»Ich weiß es nicht. Es könnte sogar sein, dass noch weniger hinter der Geschichte steckt. Und wenn ich ehrlich sein soll, nach der angeblichen Auferstehung des Engels von St. Pauli kann ich auf fruchtlose Aktionen gut verzichten. Aber heute Nachmittag erhalten wir den Autopsiebericht über Jespersen.«
»Ich verstehe«, sagte Steinbach. »Was meinen Sie, Horst?«
»Ich glaube, wir dürfen die Möglichkeit nicht ignorieren. Manche in der internationalen Sicherheitsgemeinschaft sind der Ansicht, dass wir gepatzt haben, weil die sogenannte Hamburger Zelle nicht ausgeschaltet wurde, bevor sie ihren Angriff auf das World Trade Center ausführte. Es könnte peinlich werden, wenn etwas passiert und sich dann herausstellt, dass wir vor dieser von Hamburg aus operierenden Attentäterin gewarnt worden sind. Wenn es zum Beispiel zu einem politischen Mord im Ausland kommt.« Van Heiden wandte sich an Fabel. »Tut mir leid, Jan ... Ich sehe ein, dass Sie durch den Engel-Fall unter Druck sind, aber wir müssen das Problem ernst nehmen.«
»Das ist auch meine Meinung, besonders wenn die Autopsie zu wichtigen neuen Ergebnissen führt.«
Karin Vestergaard räusperte sich.
»I am sorry«, sagte Fabel. Dann bat er die anderen: »Vielleicht sollten wir um Frau Vestergaards willen von nun an Englisch sprechen.«
»Natural«, erwiderte van Heiden mit einem schweren Akzent. »We will of course, you bet.«
Der Blick, den die Besucherin Fabel zuwarf, enthielt eine beredte Erinnerung an ihre Unterhaltung über die Unterschiede zwischen den Englischkenntnissen von Dänen und Deutschen.
»Ich glaube, Frau Vestergaard hat Ihnen etwas mitzuteilen«, erklärte Polizeipräsident Steinbach. »Bitte, Frau Vestergaard.«
»Man hat aus meinem Kopenhagener Büro Kontakt mit mir aufgenommen«, begann sie. »Die Nationale Kriminalpolizei Norwegens hat einen Vorfall in Drobak, unweit von Oslo, gemeldet. Dieser Vorfall, bei dem zwei Männer ermordet wurden, hat sich gestern Abend abgespielt.« Sie machte eine Pause und zog ihr Notizbuch aus der Handtasche. »Jorgen Halvorsen ist ... war ... ein Enthüllungsjournalist, der für Zeitungen und Zeitschriften in ganz Skandinavien arbeitete«, fuhr sie nach einem Blick in ihre Aufzeichnungen fort. »Er war von Geburt Norweger, arbeitete jedoch viele Jahre lang in Kopenhagen. Vor ungefähr fünf Jahren zog er zurück nach Norwegen. Um seiner Gesundheit willen, könnte man sagen. Er hatte sich in Dänemark und Schweden einige einflussreiche Feinde gemacht. Wissen Sie, Halvorsen hatte zwei Spezialgebiete, die sich teilweise überschnitten: die extreme Rechte in Europa sowie unternehmerische und politische Korruption.
Gestern Abend wurde er in seinem Haus in Drabak ermordet. Seine Angehörigen waren über Nacht verreist, was vermuten lässt, dass das Haus beobachtet wurde. Außerdem plante Halvorsen eine Auslandsreise. In den Fernen Osten. Wohin genau im Fernen Osten und zu welchem Zweck, wissen wir nicht. Aber die Umstände lassen vermuten, dass der Mörder Halvorsens Terminkalender kannte. Alles deutet auf eine zeitlich genau kalkulierte Tötung hin ... abgesehen davon, dass Halvorsens Gärtner im falschen Moment aufgetaucht ist. Er war das andere Opfer. Ein einzelner Messerstich ins Herz.«
»Und Sie sind der Meinung, dass die angebliche Hamburger Walküre dafür verantwortlich ist?«, fragte Fabel.
»Das ist möglich. Es war eine äußerst professionelle Arbeit. Außerdem hatte die norwegische Polizei Halvorsens Haus hin und wieder beobachtet.«
»Warum?«
»Vor ungefähr zwei Wochen ist jemand eingebrochen und hat Halvorsens Laptop und verschiedene Unterlagen gestohlen, darunter Kopien seiner Computerdateien. Und hier wird's gespenstisch ... Halvorsen war ein sehr sicherheitsbewusster Mann und hatte seine Daten auch extern gespeichert. Jemand benutzte seinen Zugangscode und sein Passwort, um diese Dateien ebenfalls zu löschen. Wiederum die Arbeit eines wahren Profis.«
»Woran hat er gearbeitet?«, wollte van Heiden wissen. »Wir haben noch keine Details. Die Nationalpolizei Norwegens ist nämlich nicht die einzige
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