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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Föttingers Tod sein zu können, was ihr jedoch nicht gelang.
    »Nein, Frau Ulmen. Ich will mit Ihnen sprechen, weil ich versuche, mir ein Bild von Herrn Föttinger zu machen. Ich würde gern wissen, was sich zwischen Ihnen und ihm abgespielt hat.«
    »Nichts hat sich zwischen uns abgespielt. Der Dreckskerl hat mich vergewaltigt.«
    »Warum haben Sie die Sache nicht weiterverfolgt?«, fragte Anna. »Sie wissen vielleicht, dass er mindestens eine weitere Vergewaltigung begangen haben soll?«
    »Sein Vater zahlte mir eine ›Entschädigung‹, wie er es ausdrückte. Aber bevor Sie glauben, dass ich schlicht bestochen worden bin, müssen Sie wissen, dass der alte Föttinger nicht nur Zuckerbrot, sondern auch eine Peitsche verwendete. Die Föttingers waren stinkreich und hatten sehr gute Beziehungen. Er versicherte mir, dass es mir sehr, sehr schlecht ergehen würde, wenn ich mich weigerte. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, Vater und Sohn.«
    »Was genau meinen Sie damit?«, hakte Anna nach.
    »Beide glaubten, alles bekommen zu können, was sie sich wünschten, und wann immer es ihnen gefiel. Die Menschen waren beiden gleichgültig.«
    »Bitte, Frau Ulmen«, sagte Fabel, »es würde uns sehr helfen, wenn Sie mir schildern könnten, was mit Herrn Föttinger vorgefallen ist.«
    »Wir haben beide in Hamburg studiert, und Daniel wollte sich mit mir verabreden. Sein Fach war Philosophie …«
    »Philosophie?« Fabel war aufrichtig überrascht. »Ich hätte gedacht, dass er ein naturwissenschaftliches oder ein technisches Fach studierte.«
    »Vielleicht tat er das später, aber damals war es Philosophie. Und er fuhr wirklich darauf ab. Wie auch immer, Daniel wollte sich mit mir verabreden. Er war sehr charmant und attraktiv, aber er hatte etwas an sich, vor dem ich mich gruselte. Also sagte ich nein. Aber es wollte ihm nicht in den Kopf, dass ihm jemand etwas vorenthielt. Es war, als wolle er es nicht wahrhaben. Das meine ich damit, dass sein Vater und er einander glichen. Keiner von beiden begriff, dass sich das Universum nicht um ihn drehte.«
    »Also wollte er ein Nein nicht gelten lassen?«, fragte Anna so sanft wie möglich.
    »Ich teilte mir eine Wohnung mit ein paar Freundinnen, aber er kam vorbei, als sie nicht zu Hause waren. Er versuchte es erneut mit seinem tödlichen Charme und wollte immer noch nicht glauben, dass ihm jemand widerstehen konnte. Als das nicht klappte, wählte er eine direktere Methode: ein Messer an meiner Kehle.«
    »Ich weiß, dass dies sehr schwierig für Sie ist …«, begann Anna.
    »Nein, es ist lange her, und irgendwie ist es mir gelungen, mir einzureden, dass es einer anderen zugestoßen ist. Für mich ist es Teil einer Geschichte, nicht der Realität geworden. Das war meine Art, damit fertigzuwerden, und es hat funktioniert. Angeblich werden alle Zellen unseres Körpers alle sieben Jahre durch neue ersetzt. Folglich sage ich mir, dass es nicht diesem Körper zugestoßen ist, nicht der Person, die ich heute bin. Aber ich habe nie aufgehört, ihn zu hassen. Ihn wegen seiner Arroganz zu verachten.«
    »Ich würde gern wissen, wie er sich verhalten hat.« Anna verzog das Gesicht über ihre eigene Ungeschicklichkeit. »Ich meine die Dinge, die ein Täter sagt oder tut – die zusätzlichen Dinge, die uns eine Menge über seinen Geisteszustand verraten können.«
    »Er hielt mir einfach das Messer an die Kehle. Davon abgesehen war er nicht gewalttätig. Und sein Vater verwies natürlich darauf, dass ich keine Verletzungen hatte, die ich der Polizei zeigen konnte. Keinen Beweis dafür, dass ich um meine Tugend gekämpft hatte, wie der alte Bastard es formulierte.« Sie schaute eine Weile aus dem Hinterfenster in das Dunkelgrün des Waldes. »Auf eine sonderbare Art – und ich weiß, es klingt wirklich sonderbar – schien Daniel keine Sekunde lang zu meinen, dass er etwas Unrechtes tat. Ich habe im Lauf der Jahre gründlich darüber nachgedacht und mir, wie gesagt, vorgestellt, dass ich davon gelesen habe und es einer anderen zugestoßen ist. Dadurch wird es leichter, objektiv zu sein. Aber wenn ich an sein damaliges Benehmen zurückdenke, fällt mir ein: Er schien gar nicht zu begreifen, dass ich da war. Sie wissen schon, Theorie des Geistes oder Simulierung oder wie immer die Psychologen es nennen. Vater und Sohn waren meiner Meinung nach Soziopathen. – Ich sage das nicht aus Verbitterung, sondern ich glaube es wirklich. Ich bin mir sicher, Daniel Föttinger war nicht imstande

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