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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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im Wasser war, würde ich schätzen, dass sie irgendwo flussaufwärts reingeworfen wurde. Aber nicht weit von hier. Die Leiche war nicht allzu verschrammt und zerschnitten. Und sie sah nicht so aus, als hätte sie Aalen und anderen Fischen als Nahrung gedient. Vielleicht bloß an der anderen Seite der Elbe und ein bisschen flussaufwärts.«
    »Danke«, sagte Fabel.
    »Warum geben Sie mir nicht Bescheid, wenn Sie mehr Einzelheiten vom Gerichtsmediziner haben? Ich könnte die Daten in den Computer eingeben und versuchen, die Leiche zurückzuverfolgen. Dann würde ich ihnen einen genaueren Ort für ihre Versenkung im Fluss nennen können.«
    »In Ordnung«, antwortete Fabel. »Das tue ich. Vielen Dank.«
    »Ist dies noch ein Opfer des Internet-Killers, nach dem Sie fahnden?«, fragte Kreysig mit müder Neugier. Er kam Fabel völlig ermattet vor.
    »Kann sein«, erwiderte Fabel. »Allerdings bezweifle ich das. Unser Mann zerstückelt seine Opfer nicht. Aber wer weiß?«
    »Er passt genau, nicht?«, bemerkte Kreysig.
    »Wer?«
    »Der Name, den sie diesem Sturm gegeben haben.« Kreysigs abgespannte Miene zeigte an, dass er seinen Kommentar für leicht verständlich hielt. »Der Sturm … der Deutsche Wetterdienst hat ihn Störtebeker genannt.«
    Fabel machte ein verwirrtes Gesicht.
    »Es passt gut, dass ein Sturm namens Störtebeker eine kopflose Leiche preisgegeben hat«, fuhr Kreysig fort.
    »Oh … ich verstehe. Ja, da haben Sie wohl recht.«
     
    »Was war das denn?«, fragte Anna, als sie zum Verbrechensschauplatz zurückkehrten. »Dieses Geschwafel von Störtebeker.«
    Fabel blieb stehen und betrachtete sie mit gespielter Überraschung. »Zuerst bezeichnest du meine Musik als Scheiße, und nun willst du nicht wissen, wer Störtebeker war?«
    »Natürlich weiß ich das. Klaus Störtebeker, Hamburgs Robin Hood des Meeres und all der Blödsinn. Was hat das mit der Wasserleiche zu tun?«
    »Offenbar kennst du die Legende über Störtebekers Hinrichtung nicht …«
    Anna machte ein gleichgültiges Gesicht. »Dann degradier mich doch.«
    »Klaus Störtebeker war der größte Stachel im Fleisch des hanseatischen Hamburg. Seine Vitalienbrüder und er überfielen nur hanseatische Schiffe und teilten sich ihre Beute zu gleichen Teilen. Schließlich wurde Simon von Utrecht zum Bürgermeister von Hamburg gemacht, baute eine Flotte aus neuen Kriegsschiffen und brachte Störtebeker zur Strecke.« Fabel winkte vage nach Osten. »Du weißt, wo die neue Elbphilharmonie entsteht? Damals, lange bevor die Speicherstadt existierte, war da bloß eine lange Sandbank. Dort wurden alle von Hamburg gefangenen Piraten exekutiert.«
    »Und …«, fragte Anna ungeduldig.
    » Und als Störtebeker mit über siebzig seiner Männer durch Enthauptung hingerichtet werden sollte, bat er um eine letzte Gunst: nämlich die, dass der Hamburger Senat alle Männer freilassen würde, an denen er nach seiner Enthauptung noch vorbeilaufen konnte. In der Legende heißt es, dass sein kopfloser Körper nach der Hinrichtung aufstand und an elf seiner Männer vorbeischritt, bevor der Scharfrichter ihm ein Bein stellte.«
    »Und ließ der Senat die elf Männer frei?«
    »Nein. Die Senatoren waren alle in erster Linie Politiker und Geschäftsleute … Deshalb hielten sie ihr Versprechen natürlich nicht. Alle Piraten wurden einen Kopf kürzer gemacht. Aber als die siebzig tot waren, fragte der Bürgermeister den Scharfrichter, ob er nach den vielen Axthieben nicht erschöpft sei. Der scherzte, er habe, wenn nötig, noch genug Kraft, den Bürgermeister und den gesamten Senat zu köpfen. Da Politiker und Geschäftsleute nicht für ihren Humor bekannt sind, ließen sie den Scharfrichter ebenfalls auf der Stelle enthaupten.«
    Fabel lächelte. »Insgesamt ist es also durchaus angemessen, dass der Deutsche Wetterdienst diesen Sturm Störtebeker genannt hat. Und es ist, wie Kreysig meint, sehr ironisch, dass Störtebeker eine kopflose Leiche angeliefert hat.«
    »Was soll ich sagen, Chef?«, erwiderte Anna gleichgültig. »Es ist immer wieder lehrreich …«

8.
     
    Es war kurz nach Mittag, als Fabel sich mit seinem Team zusammensetzte.
    Bevor er zu der Besprechung ging, war ihm über das interne E-Mail-System des Präsidiums mitgeteilt worden, dass Kriminaldirektor van Heiden, Leiter der Ermittlungsabteilung und Fabels Chef, ihn gegen 15.30 Uhr sehen wolle. Nach mehrjähriger Arbeit mit van Heiden wusste Fabel, dass dies Punkt 15.30 Uhr bedeutete. Wie Fabel

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