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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Jan zureichte, und beide anrempelte.
    „Mensch, Lady, kannst du nicht ein wenig vorsichtiger sein!“ schimpfte Jan. „Wenn ich rechne, daß mir mindestens drei Pfannen aus der Hand fallen, wenn ich oben auf dem Dach hocke, haben wir zwei zuwenig.“
    In der Küche wurden die Bummelanten von den beiden Damen mit empörten Mienen empfangen. Tina saß am Tisch und schälte Kartoffeln, Jenny, hinter einer roten Gummischürze kaum noch wiederzuerkennen, schepperte an der Spüle mit Geschirr. Sie schepperte recht laut. Auf der Fensterbank lagen als Beweis ihres Fleißes der abgeschlagene Henkel der braunen Teekanne und das verbeulte und in seine Einzelteile zerfallene Teesieb.
    „Schön, daß du schon kommst“, raunzte Tina, „das Abendbrot ist gleich fertig.“
    „Hab’ ich mich etwa verspätet?“ fragte Jan unschuldig. „Das ist doch so gut wie unmöglich. Wir haben auf dem Rückweg nur eben bei Jochen ‘reingeschaut, um uns ein paar Dachpfannen abzuholen. Sie liegen auf dem Hof, du kannst sie dir ansehen.“

    Tina hob den Kopf und schnupperte.
    „Nicht nötig“, giftete sie, „ich rieche sie schon. Du gibst den Kindern ja ein schönes Beispiel, Jan Tabak!“
    In diesem Moment klirrte es am Spülbecken: Jenny hatte zwei Teller gleichzeitig in Arbeit gehabt, und dabei war der eine dem andern in die Fahrbahn geraten und hatte einen Frontalzusammenstoß verschuldet. Tina zuckte nervös.
    „Sinnig, Oma Jenny!“ rief sie. „Dich treibt doch niemand!“ Jenny, die zu eitel war, ihre Brille aufzusetzen, und ohne sie alles nur verschwommen wahrnahm, wandte sich gekränkt um.
    „Stell dich nur nicht an wegen eines lumpigen Tellers!“ plärrte sie. „Es wird sowieso Zeit, daß ihr euer Geschirr erneuert. Das fällt ja auseinander, wenn man es in die Hand nimmt.“
    Jan merkte, daß die Frauen hochexplosiv aufgeladen waren, und hielt es für das beste, sich davonzumachen, bevor es zur Entladung kam. „Ruft uns, sobald ihr das Essen fertighabt“, sagte er. „Wir wollen uns schon mal um das Dach kümmern. Kommt, Kinder!“
    Mit ihm verschwanden Nicole, Tim und der Hund.
    Und während die vier sich nun um die lange Leiter bemühten, die schon so morsch war, daß sie sich kaum selber trug, wurde drinnen das Rindfleisch zubereitet, doppelt gewürzt, einmal auf nieder- und einmal auf oberdeutsch, und darum recht scharf, so scharf wie die Worte, die die beiden Köchinnen am ersten Tag ihrer Zusammenarbeit freigebig austauschten.
     

Der erste Schultag
     
    Am nächsten Morgen fuhren die Kinder zum erstenmal in die Schule. Jan Tabak stand auf dem Deich und winkte, als der Bus heranrollte, um dem Fahrer mitzuteilen, daß er ab sofort auch vor seinem Haus halten müsse. Er habe zwei Kinder gekriegt, ein bißchen spät zwar, aber dafür seien sie auch schon recht groß.
    Mittags erzählte Nicole, sie sei in eine ganz prima Klasse gekommen, zu einer jungen Lehrerin, die viel Spaß mache und mit den Schülern wie mit ihresgleichen rede. Von Hausarbeiten halte sie gar nichts, das müsse alles im Unterricht geleistet werden. Und jeder Tag fange damit an, daß jemand einen Witz erzählt.
    Tim war nicht so glücklich. „Ich habe einen richtigen Pauker gekriegt“, sagte er, „so einen von der guten alten Schule. Er hat alles und wir nichts zu sagen. Das war ja wohl das Gute an der alten Schule. Wenn ihr mich fragt, ich finde das ziemlich blöd. Dabei ist der Mensch noch sehr jung, bestimmt noch nicht dreißig. Aber gewisse Typen verkalken ja schon als Baby.“
    Nach dem Essen gingen die Kinder mit ihrem Onkel auf den Hof, um da ein bißchen Ordnung zu machen und die zerbrechliche Leiter zu verstärken.
    „Wovon lebt ihr eigentlich?“ fragte Tim mitten in der Arbeit. „Ihr habt nur drei Kühe auf der Weide, keinen Traktor, kein Pferd, du arbeitest nicht in der Fabrik, wie das hier ja viele Männer tun, und doch könnt ihr euch alles kaufen, was ihr zum Leben braucht. Hast du eine Erbschaft gemacht? Du mußt schon entschuldigen, daß ich frage, aber wir sprechen in Gemeinschaftskunde darüber.“
    „Was?“ staunte Jan. „Ihr sprecht in der Schule darüber, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene? Das finde ich aber aufmerksam.“
    „Nein“, widersprach Tim, „wir sprechen nicht über dich, wir nehmen ganz allgemein durch, wie die Väter es anstellen, ihre Kinder, ihre Frau und wer sonst noch mit zur Familie gehört, zu ernähren, zu kleiden und so weiter. Bei den meisten ist das ja ganz leicht zu durchschauen: der

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