Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
nicht hinter der Jugend Zurückbleiben will. Ich fahre immer mit Hinnerk Murken zusammen, der hat ein Auto und ist genauso wißbegierig wie ich.“
    Auch am Freitag paßte es nicht mit dem Motorbootfahren, aber am Dienstag der folgenden Woche bekam Tim seine erste Lektion. Jan zeigte ihm, wie man starten und Gas geben mußte, und forderte ihn dann auf, sich hinter das Steuer zu setzen. Der Junge zögerte keinen Augenblick, er nahm auf der Ruderbank Platz und brauste los. Da kein anderes Boot in der Nähe war, brauchte Jan nicht zu fürchten, daß er eins mittschiffs zerteilen oder aufs Ufer schleudern könnte. Er ließ ihn gewähren und seine ersten Erfahrungen sammeln.
    Tim bekam rasch ein Gefühl dafür, wie fest er das Steuer in der Hand halten mußte, und er merkte, daß ein Wasserfahrzeug viel träger reagierte als ein Auto oder ein Fahrrad. Das Geradeausfahren beherrschte er nach wenigen hundert Metern. Natürlich probierte er auch das Kurvenschneiden, das Schnell- und Langsamfahren und das Anlegen.
    Jan Tabak saß seelenruhig hinter ihm und ließ ihn alles allein versuchen. Er griff nicht ein, als Tim bei seinen Landeversuchen immer wieder am Steg vorbeitrieb, und hütete sich, ihm zu verraten, daß man gegen den Strom anlegen müsse.
    „Wo ist denn der Rückwärtsgang?“ fragte Timm schließlich unsicher. Jan hob die Schultern.
    „Keine Ahnung“, sagte er, „ich habe ihn nie gebraucht. Aber die Strömung, die von vorne kommt, bewirkt dasselbe.“
    Der Junge schaute ihn schief an und überlegte. Dann hatte er begriffen. Er fuhr einen Kreis und lenkte das Boot langsam gegen den Strom an den Steg. Mühelos konnte er es nun auf der Stelle halten und seine Fahrgäste aussteigen lassen.
    Jan Tabak zeigte ihm, wie man es fachgerecht vertäute, und ging an Land.
    „Nun fahr man noch ein bißchen allein“, sagte er, „ich hab gesehen, daß du es kannst. Aber merk dir, schnellfahren kann jeder Esel. So fahren, daß man keinen andern und auch nicht sich selbst in Gefahr bringt, ist viel schwerer.“
    In den nächsten drei Wochen war Tim jeden Nachmittag auf dem Wasser zu finden, und bald beherrschte er das Boot wie ein Fahrrad. Nicole hatte keine Angst, wenn er am Steuer saß, selbst Tante Tina vertraute sich schließlich seinen Fahrkünsten an. Tim fuhr die ganze Familie, mit Ausnahme von Oma Jenny, die ihr unfreiwilliges Bad im Torfkanal nicht vergessen konnte, nach Ritterhude und zurück. Damit legte er gewissermaßen seine Steuermannsprüfung ab. Anschließend führte er Tante Tina zu ihrer „Pädagogik“ und strich vor ihren Augen mit einem Rotstift das siebte Verbot durch.
    „Das Bootfahren, liebe Tante“, sagte er, „ist mir ab heute ja wohl offiziell erlaubt, nicht wahr? Du hast dich soeben selbst davon überzeugt, daß ich es kann.“
    Was sollte Tina dazu sagen? Es stimmte, sie hatte während der Fahrt tatsächlich den Eindruck gewonnen, daß der Junge mit dem Motorboot ebensogut umgehen konnte wie ihr Mann. Darum gab es keinen vernünftigen Grund, das Verbot aufrechtzuerhalten. Obwohl sie sich hereingelegt fühlte, erklärte sie sich mit der Streichung einverstanden. „Die anderen Verbote gelten aber weiterhin“, sagte sie. „Und daran wird sich auch nichts ändern.“
    Tim nickte leichthin, Jan Tabak war jedoch sicher, daß noch so manches auf Tinas „Pädagogik“ dem Rotstift zum Opfer fallen würde.
     

Karl Landwehr wird bekehrt
     
    Eines Mittags löffelte Tim seine Erbsensuppe auffallend lustlos in sich hinein. Alle merkten, daß ihn etwas bedrückte, aber er rückte lange nicht damit heraus. Erst der Anblick des liebevoll verzierten Schokoladenpuddings, den es zum Nachtisch gab, löste seine Zunge. „Könnt ihr euch vorstellen“, begann er, „daß es heutzutage noch Menschen gibt, die Prügel für ein Erziehungsmittel halten?“ Auweih! dachte Jan Tabak, sein Lehrer hat ihn verhauen.
    Oma Jenny zog die Brauen hoch.
    „Prügel sind ein Erziehungsmittel“, sagte sie in sehr bestimmtem Ton. „Nur scheinen sie bedauerlicherweise aus der Mode zu kommen. Lies doch mal in der Zeitung, was in der Welt los ist! Überall wimmelt es von Verbrechern. Wenn man die als Kinder hin und wieder verprügelt hätte, wären anständige Menschen aus ihnen geworden. Nur mit Zucht und Strenge kann man erziehen.“
    „Zucht und Strenge“, sagte Tim spöttisch, „daß ich nicht lache! Dadurch wird der Mensch nicht besser, sondern schlechter.“
    „Ist was in der Schule vorgefallen?“ fragte Jan, um

Weitere Kostenlose Bücher