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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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fest an der Hand und zwängte sich durch die Kauflustigen. Als er am Ziel war, mußte er sich die schweißnasse Stirn wischen.
    „Ach, bitte“, sagte er zu der älteren Dame, „dieses Kind sucht seine Mutter. Es hat sich verlaufen. Können Sie das nicht im Lautsprecher ausrufen?“
    „Natürlich kann ich das“, antwortete die Dame freundlich. „Das geschieht bei uns alle Tage. Komm mal her, mein Kind. Wie heißt du denn?“
    Das Mädchen steckte den Daumen der rechten Hand in den Mund und sagte: „Muschi.“
    „Oh“, machte die Kassiererin, „das ist aber ein schöner Name. Und wie heißt du richtig?“
    „Muschimaus!“
    „Aha! Und wie weiter?“
    „Weiter nicht.“
    „Hm, und wie heißt deine Mama?“
    „Die heißt Mutti.“
    „So, Mutti heißt sie. Und was sagt Papa zu ihr?“
    „Papa?“ fragte die Kleine und schob nachdenklich einen dicken Bonbon von der einen Backenseite auf die andere.
    „Ja, was sagt er zu ihr, wenn er abends nach Hause kommt?“
    „Er sagt immer, Junge, Junge, ist das ein Verkehr! Morgen gehe ich zu Fuß.“
    Jan Tabak grinste. Die Kassiererin wurde ungeduldig, denn an ihrer Kasse hatte sich eine lange Schlange gebildet.
    „Aber, Kind, du mußt doch wissen, wie deine Mutti mit Nachnamen heißt! Heißt sie vielleicht Meier oder Müller oder Schmidt?“
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    „Du bist aber dumm, Tante“, sagte sie. „Meiers wohnen doch über uns! Aber die mag ich gar nicht, die haben einen Hund, der beißt.“
    „Ich werde es mal so versuchen“, sagte die Frau, lächelte nervös und zog das Mikrophon zu sich heran.
    „Achtung, Achtung!“ rief sie, daß es dröhnend aus allen Lautsprechern in allen Stockwerken widerhallte. „Hier ist ein kleines Mädchen abgegeben worden, das von den Eltern Muschimaus genannt wird. Es trägt ein rotes Wollröckchen, braune Halbschuhe, einen blauen Anorak und eine gelbe Mütze. Wir bitten die Mutter, ihr Kind an der Hauptkasse im Erdgeschoß abzuholen.
    „So“, wandte sie sich an Jan, „jetzt wird die Mutter gleich kommen. Würden Sie bitte mit dem Kind ein bißchen zur Seite gehen, damit die Kunden Platz haben? Dankeschön!“
    Jan zog die Kleine ein Stück von der Kasse fort.
    „Gleich ist deine Mutti hier“, sagte er. „Paß gut auf, damit du sie auch siehst!“
    Sie standen, guckten und warteten.
    Aber die Mutti kam nicht. Und da wurde auch Jan allmählich unruhig, denn er dachte an seine Familie und rechnete sich aus, daß die inzwischen ebenfalls jemanden suchte, nämlich ihn.
    „Wo hast du deine Mutti denn verloren?“ fragte er das Mädchen. „Bei den Kleidern oder bei den Lebensmitteln?“
    Das Kind schüttelte den Kopf.
    „In der Spielwarenabteilung vielleicht?“ mutmaßte Jan.
    Wieder ein Kopfschütteln.
    „Weißt du denn nicht, was deine Mami gerade gekauft hat, als sie auf einmal weg war?“
    Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an.
    „Meine Mami hat doch nichts gekauft, meine Mami hat Wäsche aufgehängt.“
    „Was hat sie?“ fragte Jan verwundert. „Wäsche aufgehängt? Wo kann man denn hier im Kaufhaus Wäsche aufhängen?“
    „Du bist aber auch dumm“, sagte die Kleine. „Mami hat im Garten Wäsche aufgehängt.“
    Jan blieb die Sprache weg.
    „Na, weißt du“, murmelte er, „du bist aber auch eine. Dann bist du wohl von zu Hause weggelaufen, was?“
    „Nein, ich wollte mir nur die Teddys angucken.“
    „Was machen wir denn jetzt?“ überlegte Jan laut. „Hm, am besten bringe ich dich wohl zur Polizei. Die weiß bestimmt, wo deine Mutti wohnt.“
    „Weißt du das nicht mal?“ fragte der kleine Frechdachs.
    „Nein“, sagte Jan, „woher soll ich das wissen?“
    „Du bist aber sehr, sehr dumm! Meine Mami wohnt doch bei Papi!“
    „Aha!“ tat Jan verwundert. „Darauf wäre ich gar nicht gekommen. Und der Papi wohnt natürlich bei der Mami?“
    „Nein!“ rief das Mädchen. „Der Papi wohnt bei der Omi in der Bahnhofstraße achtundsiebzig.“
    Jan holte tief Luft.
    „Da bin ich aber froh“, sagte er, „daß die wenigstens in einer Straße wohnt und nicht beim Opi. Komm!“
    Während er nun mit dem Mädchen an der Hand durch die große Eingangstür ins Freie trat, um sich nach der Bahnhofstraße zu erkundigen oder das Kind dem ersten Polizisten, den er traf, zu übergeben, tönte aus allen Lautsprechern des Kaufhauses eine zweite Suchmeldung:
    „Achtung, Achtung! Herr Johannes Marwedel wird dringend gesucht von seiner Frau. Er wird gebeten, sich an der Hauptkasse im

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