Jan Tabak geht aufs Ganze
neben der kleinen Wümme her. Plötzlich“ - er machte eine Pause, wischte sich über die Augen und holte schnaufend Luft — „plötzlich verreißt der Fahrer das Steuer und ihr fahrt in den Fluß, mitten in die Wümme hinein. Das Auto sinkt, Wasser dringt ein, die Kinder können sich retten, aber du... nein, es ist zu schrecklich!“
Jenny legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Armer Jan“, sagte sie zitternd, „ich verspreche dir, daß ich in kein Auto mehr steige, weder heute noch in den nächsten Wochen. Tina, mir ist kalt. Mache mir bitte eine Wärmflasche, ich lege mich ins Bett.“
Eine halbe Stunde später fuhren Jan und die Kinder allein in die Stadt, um Anzug und Kleid umzutauschen. Mit dem Auto fuhren sie, einem schwarzen, wie Jan es vorausgesehen hatte. Sollten sie das Taxi umsonst bestellt haben?
Jenny schlürfte heißen Fliedertee und schluckte einige Tabletten, um sich zu beruhigen, und Tina blieb in ihrer Nähe, damit sich die alte Frau nicht allein fühlte.
Lady saß mit im Auto. Jan glaubte, mit so einem gewaltigen Hund an der Seite würde man ihn beim Umtausch freundlicher und schneller bedienen.
Tatsächlich war Ladys stummes, aber aufmerksames Dabeisein dem Geschäft sehr förderlich. Ohne den kleinsten Einwand wurden der Anzug und das Kleid zurückgenommen, und eine blasse Verkäuferin ließ es sich nicht verdrießen, den jungen Kunden das Angebot an moderner Kleidung vorzuführen. Tim suchte sich braune Cordhosen, einen grünen Parka und einen Rollkragenpullover aus. Nicole entschied sich für blaue Cordhosen, einen roten Anorak und einen bunten Pulli. Jan fand alles schick und spendierte jedem noch ein Paar Bluejeans.
Strahlend verließen sie das Kaufhaus.
Sie legten Lady die Pakete wie einem Lastesel auf den Rücken und bedankten sich bei Jan Tabak für seine Hilfe.
„Wenn du nicht wieder in die Zukunft geguckt hättest“, sagte Nicole, „müßten wir wie die Affen herumlaufen. Gut, daß es dich gibt!“ Tim grinste seinen Onkel an und sagte: „Ich bin ganz deiner Meinung, Nicole. Wie gut, daß Onkel Jan mit seinen übersinnlichen Kräften so manchen Unsinn aus der Welt schaffen kann!“
Sie bummelten durch die Obernstraße und dann durch das Schnoor-viertel, wo einige Gassen so schmal waren, daß Lady sich dünn machen mußte, um durchzukommen.
Am Hauptbahnhof nahmen die drei Einkäufer ein Taxi und ließen sich nach Niederblockland zurückfahren, nachdem sie für Jenny in einem Süßwarengeschäft eine Schachtel Pralinen gekauft hatten. Die sagte nichts zu den neuen Kleidungsstücken, sie lag im Bett und schlief. Auch am andern Morgen hatte sie keine Gelegenheit, ihre Meinung darüber zu äußern, denn die Kinder waren schon in der Schule, als sie im Wohnzimmer erschien. Und die Kritik am Mittagstisch kam zu spät, denn jetzt war jeder Umtausch ausgeschlossen, da man den Hosen und Jacken deutlich ansah, daß sie schon getragen worden waren. Aber so böse, wie erwartet, war Jenny gar nicht darüber. Zum Erstaunen aller sagte sie schließlich: „Na ja, ihr müßt die Sachen ja tragen, und wenn sie euch gefallen, wollen wir die Angelegenheit auf sich beruhen lassen.“
Volkshochschule in der Ulenborg
Tims Klassenfahrt ins Sauerland wurde in letzter Minute um vier Wochen verschoben, weil der Lehrer erkrankt war und kein anderer mit der ihm fremden Klasse das Wagnis eines längeren Herbergsaufenthaltes eingehen wollte.
Tim war darüber nicht traurig. Er fühlte sich in Niederblockland so wohl, als hätte er dauernd Ferien. Und daß sein ungeliebter Lehrer für ein paar Wochen ausfiel, war ihm ganz sympathisch.
„Der Knabe soll sich mit dem Gesundwerden nur Zeit lassen“, sagte er. „Jeder, der ihn vertritt, ist mir angenehmer als er.“
Nicole und er waren jetzt viel mit dem Tandem unterwegs. Jan Tabak begleitete sie gern. Nur den Donnerstag hielt er sich frei, das war ja sein Volkshochschultag. Da mochte sein, was wollte, sein Studium an der Volkshochschule betrieb er gründlich und gewissenhaft, nie ließ er auch nur eine Stunde ausfallen.
An solch einem Studientag war es, als Tim und Nicole nach einer Überlandtour mit dem Tandem in der Gaststätte „De Ulenborg“ einkehrten. Sie hatten sich ein bißchen übernommen und schickten sich an, hier einen Sprudel zu trinken.
Tim wollte schon die Tür öffnen, da entdeckte er, halb hinter einem Busch versteckt, den Wagen mit dem Kennzeichen HB-AR 24, der Hinnerk Murken gehörte, dem Mann, mit dem Jan
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