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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Mütze auf dem Schoß. Nachdem Sara und Ursula ebenfalls Platz genommen hatten, sagte der Arzt: «Das ist ein wenig ungewöhnlich, dass Sie hier sitzen.»
    Antonio drehte sich um und stellte dann fest, dass er gemeint war. «Warum?», fragte er.
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    «Ich bin Frauenarzt. Ich glaube nicht, dass ich etwas für Sie tun kann», erwiderte Kunz.
    «Das iste meine Tochter», beharrte Antonio.
    «Aha. Nun gut. Wenn ich Ihre Tochter untersuche, werden Sie trotzdem bitte draußen Platz nehmen.»
    «Untersuche? Was wolln Sie da untersuche. Meine Tochter fehlte nickts, ist kerngesunde und nur bischen verruckte.»
    «Herr Marcipane, selbst wenn sie nicht gesund wäre, würde ich das jetzt nicht mit Ihnen besprechen.» Und dann, zu Sara gewandt: «Was kann ich für Sie tun?»
    Bevor Sara antworten konnte, ergriff Antonio wieder das Wort: «Sie will der Pille gegen der Kinder und gegen der Wille von mir.»
    «Ich verstehe», sagte der Arzt, «aber ich habe nicht mit Ichnen gesprochen. Sie möchten ein Antibabypillenrezept?»
    Sara nickte.
    «Sie iste zu jung», jammerte Antonio. Sara befürchtete, dass er hier vor dem Frauenarzt abermals anfangen könnte zu wie-nen, und sagte daher schnell: «Ich will nur ganz sicher sein, falls mal was passiert. Aber ich mache keine Dummheiten.»
    «Verstehe», sagte der Arzt und machte sich Notizen. Dann erklärte er die Wirkungsweise und weitere Arten der Empfängnisverhütung. Antonio hörte sehr interessiert zu, denn er kannte eigentlich nur zwei Methoden, nämlich Kondome und rechtzeitig Rausziehen. Ersteres lehnte er aus ästhe-tischen und praktischen Gründen ab, Letzteres hatte ihm immerhin nur zwei Kinder beschert, eine ganz gute Quote, wie er fand.
    «In dem Alter ist es unter Umständen ganz vernünftig, die Pille zu nehmen», sagte Kunz, «die Mädchen sind da viel klü-
    ger als gleichaltrige Jungen. Wir werden das ausprobieren und erst einmal die Verträglichkeit testen.»
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    «Äh; Sie! Ciarlatano!», rief Antonio. «Wie wollen Sie der Verträglickeit von der Kinder testen? Wenn sie gut vertragen, heißte sie werd incinta 1 oder was?» Er zeigte auf den Arzt wie ein Staatsanwalt auf den Angeklagten. Dann führte er aus, dass es nur einen Menschen auf der Welt geben könnte, der wirklich beurteilen könne, ob Sara und Werauchimmer sich vertragen und füreinander bestimmt sein könnten, und das sei er, Antonio Marcipane, und damit basta.
    «Ich prüfe nicht, ob Ihre Tochter sich mit Ihrem Freund verträgt, sondern ob sie die Pille verträgt», sagte Kunz nun ganz leicht genervt.
    «I würde das nickt nehmen.»
    «Sie sind auch keine Frau.»
    «Es ist gegen unserer Glauben», versuchte es Antonio in liturgischem Crescendo. Der Katholizismus als letzter Weg, eine von Antonios stumpfsten Waffen, denn es gibt wirklich kaum jemanden, der aus so wenig Glaubenspraxis so viel moralische Überlegenheit schöpft wie er.
    «Willst du, dass ich schwanger werde, Papa?»
    «Nein, will nicht, will vor allem nickte, dass du mit der Pi-ckelgesickte mit der grüne Mofa in Bett landest.»
    «Herr Marcipane, worum geht es Ihnen eigentlich? Sind Sie gegen die Pille oder gegen die Partnerwahl Ihrer Tochter?», fragte Kunz.
    «Bin kein Freund von beides», sagte Antonio trotzig.
    «Nun lass sie doch einfach mal in Ruhe», mischte sich Ursula ein. «Sie muss schließlich ihre Erfahrungen sammeln.
    Genau wie wir beide.»
    Da winkte Antonio matt ab und fügte sich. Als der Arzt seine Tochter untersuchte und diese sich dafür auch noch unten-1 schwanger
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    rum entkleiden sollte, verließ er unter Protest und Mitnahme seiner Gattin das Sprechzimmer und setzte sich neben eine ältere Frau, der er erklärte, dass der Arzt da drin seine Tochter verdorben hätte. Die Frau verließ daraufhin die Praxis.
    Sara nahm nun die Pille, jedenfalls drei Tage lang. Dann war sie weg. Sie fand die Packung im Keller hinter den Do-senpfirsichen und stellte ihren Vater zur Rede. «Wie kommen meine Pillen hinter die Pfirsiche, Papa?»
    «Weißi nickte.»
    «Lässt du sie bitte einfach, wo sie sind?»
    «Das iste mein Haus, kanni der Sachen tun, woi will.» Seine Tochter würde keinen Sex haben, wenn sie keine Pille hatte, dachte er wahrscheinlich. Jeder Tag, an dem er sie an der Einnahme hindern würde, wäre ein gewonnener Tag. Von ihm aus konnte das noch zehn, elf Jahre so gehen. Tatsächlich aber gelang es ihm nur noch einmal, die Packung verschwinden zu lassen (im Heizungskeller), danach versteckte Sara ihre Pille selber

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