Jane Christo - Blanche - 01
Frondienst seine Freiheit zurückgewonnen hatte, beendete der Teufel Waynes Leben, und löschte damit ihre ganze Welt aus. Die Tür, die sie vom Leben ausgeschlossen hatte, fiel abermals zu, und sie hatte nicht die Absicht, ihren Fuß auszustrecken, um sie aufzuhalten.
Dann war Beliar aufgetaucht und hatte ihre ohnehin erschütterte Welt einmal mehr durchgerüttelt. Obwohl sie ihn von Anfang an bekämpfte, schlug er eine Saite in ihr an, die sie erreichte, sie berührte und gleichzeitig beunruhigte. Es war, als würden sie ein Geheimnis teilen, etwas, das nur sie beide kannten und das sie miteinander verband. Auf diese Weise hatte er sich innerhalb weniger Tage einen Zugang zu ihr verschafft und sie aus der Bitterkeit gerissen. Vor dem Hintergrund, dass er angetreten war, Waynes Seele zu versklaven, war dies eine erstaunliche Wendung. Und doch ließ sich die Wahrheit nicht verleugnen. Es war Beliars Einfluss gewesen, der ihr den Glauben an die Zukunft zurückgegeben hatte. Eine Zukunft, die zunächst aus Rache bestanden und sich allmählich in die Hoffnung auf ein eigenes Leben gewandelt hatte. Anfangs noch schwach gewann diese Aussicht täglich an Kraft.
Als sie sich am Ende liebten, war etwas Hartes in ihr geschmolzen und hatte die innere Kälte wie Tauwasser fortgeschwemmt. Es war, als hätte sich ein unwiderruflicher Wandel in ihr vollzogen. Als hätte das Leben selbst eingegriffen und die Weichen zu einer neuen Existenz umgelegt.
Aber was für ein Dasein wäre das? Sie war von Gewalt umgeben, seit sie denken konnte, ihr Weg von Verlusten gesäumt. Und nun war der Mann, der Dämon gestorben, der diese absurde Hoffnung in ihr hatte aufkeimen lassen. Er war wie ein Leuchtfeuer in der Nacht gewesen, das ihr den Weg gewiesen hatte – ihr ganz persönlicher Lichtblick. Doch diese Flammen waren erloschen, erstickt in den nicht vorhandenen Trümmern der Rue d’Orsei. Verschwunden in einem Loch, das sich mit ihrer inneren Leere messen konnte.
Sie betrachtete das Mädchen in der Dusche, das mit schreckensweiten Augen in das Nichts vor sich starrte, wo sich eben noch eine Zukunft angebahnt hatte.
In einer einzigen Nacht hatte sie alles verloren.
Schon wieder.
Waynes Seele war für immer verwirkt, hatte sich aufgelöst und all seine Erinnerungen mit sich genommen, und mit ihnen einen Teil von ihr. Es war, als hätte er nie gelebt. Sie niemals kennengelernt. Sie nicht geliebt.
Dem Mädchen kam es vor, als wäre er in diesem Moment ein zweites Mal gestorben, nur diesmal war sie es, die ihre Waffe auf ihn gerichtet und den Abzug getätigt hatte.
Sie hatte versagt.
Und Zoey? Entkommen. Am Ende war ihr nichts geblieben, nicht einmal Rache.
Beliar? Verschwunden in einem Krater. So viel zu seiner Unsterblichkeitstheorie. Er hatte sie beschworen, ihm zu vertrauen, und das war dabei herausgekommen. Sie war wieder allein und fühlte nichts außer einer abgrundtiefen Leere, die sich immer weiter ausdehnte und ihr Herz auf die Größe einer Pflaume schrumpfen ließ. Selbst als das Wasser der Dusche kalt wurde, spürte sie nichts, obschon sie zu zittern begann – doch das war eine rein körperliche Reaktion. Erst als ihr Telefon klingelte – Enzos Handy – gab ihr Geist seinen Beobachtungsposten auf.
Sie erwachte aus ihrer Starre, trat aus dem eisigen Wasserstrahl und sah an sich hinab. Das Kevlar hatte sich vollgesaugt und klebte an ihrer nassen Haut. Es war schwer wie Zement, also schnallte sie es ab und ließ es mit einem dumpfen Knall auf den gekachelten Boden fallen.
Auf dem Weg zu ihrem XXL-Bett befreite sie sich von den Waffenhalftern, den restlichen Handgranaten sowie der Ersatzmunition, die sie blindlings über den weichen Teppich verstreute. Sie schleppte sich zum Fußende des Betts, als hätte sie Gewichte an den Beinen, und ließ sich schwer darauf fallen. Als das Telefon erneut klingelte, reagierte sie nicht. Wozu auch? Sie hatte nichts zu sagen. Und sie war müde. Unbeschreiblich müde.
Als Nella im Krankenhaus eintraf, stieß sie an der Tür zu Leos Zimmer fast mit ihm zusammen. Zwanzig Minuten zuvor hatte die Oberschwester auf ihrem Handy eine Nachricht hinterlassen, die besagte, dass ihr Patient gegen den Rat der Ärzte das Hospital verlassen wollte. Daraufhin hatte Enzo Nella in Begleitung von Lucas und Ernesto zum Hospital geschickt. Sie hatte Anweisung, Leo in Enzos Hauptquartier am Champs-Élysées zu bringen, nunmehr auch ohne sein Einverständnis. Diesmal hatte der alte Sturkopf überlebt, aber
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