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Jane Christo - Blanche - 01

Jane Christo - Blanche - 01

Titel: Jane Christo - Blanche - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Erzdämon
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zurück. Die gepanzerten Fahrzeuge der GIGN setzten sich rückwärts in Bewegung und fuhren zum Ende der Straße, während die Mitglieder der Spezialeinheit aus den todgeweihten Häusern liefen. Und dann ging alles ganz schnell. Innerhalb eines Wimpernschlags verschwand die Rue d’Orsei von Nummer fünfundfünfzig bis sechzig – spurlos. Es war wie bei diesen Vakuumtoiletten in Flugzeugen. Eben noch lag die Straße unter ihr, einen Augenblick später befand sich dort ein gigantischer Krater. Dabei wurden auch die anliegenden Häuser nicht verschont, die allesamt aussahen, als hätte Godzilla ein Stück aus ihnen herausgerissen. Von oben betrachtet wirkte es, als hätte jemand eine monströse Seifenblase heraufbeschworen, die ihre Umgebung in sich aufgesaugt hatte und anschließend mit ihrer Beute verpufft war.
    Blanche lugte über die Bruchkante des Regierungsgebäudes, auf dem sie kauerte. Dreiviertel des Bauwerks war verschwunden – ein klaffendes Loch endete einen halben Meter vor ihren Füßen. Das war knapp.

11
    S
ie erinnerte sich nicht, wie sie ins Hotel gekommen war. Ihre Füße hatten wie ein Autopilot von selbst den Weg gefunden und sie im Schutz der Dunkelheit durch den Personaleingang ins Gebäude getragen. Auf ihrem Zimmer hatte sie sich mit voller Montur unter die Dusche gestellt und war mit dem Rücken die Marmorfliesen entlang auf ihre Absätze gerutscht. In dieser Position harrte sie zwei Stunden regungslos aus, innerlich wie erstarrt, entsetzt über das, was in dieser Nacht geschehen war.
    Es kam ihr vor, als würde sie sich aus großer Distanz beobachten, wie sie in gebeugter Haltung auf den Hacken saß, die Arme über die Knie ausgestreckt, den Blick starr auf die gegenüberliegenden Kacheln gerichtet. Das schwarze Haar klebte an ihrem Gesicht, Wassertropfen perlten über ihre Wangen, es sah aus, als würde sie weinen. Doch sie war jenseits von Tränen – sie fühlte nichts. Sie glaubte auch nicht, dass sie jemals wieder in der Lage wäre, etwas zu empfinden.
    Ein Teil von ihr war mit Wayne gestorben, der andere lag in einem Krater begraben. Das, was diese Nacht von ihr übrig gelassen hatte, war zu wenig, um zu fühlen. Ihr Geist beobachtete sie, schwebte über ihr an der Decke des Badezimmers, wie sie innerlich schrie und blutige Tränen weinte, während ihr Äußeres wie erstarrt dasaß und sich von allen Empfindungen abschnitt. Sie sah zu, wie sie immer mehr einfror und sich von der Welt zurückzog. Einer Welt, die sie um ihr Leben betrogen hatte. Um die Menschen, die sie geliebt hatte, und die nun für immer verloren waren.
    Von ihrer sicheren Betrachterperspektive aus fühlte sie Mitleid mit dem Mädchen in der Dusche, das sich von seiner emotionalen Seite getrennt, sie irgendwann hinter sich gelassen hatte. Das nicht in der Lage war, zu weinen oder Schmerz zu empfinden. Das eine leblose Hülle zurückgelassen hatte, die nur noch äußerlich einem Menschen glich. Das Leben dieses Mädchens stand von Anfang an unter einem Fluch, der sie verfolgt und vor sich hergetrieben hatte. Ihr waren schlimme Dinge zugestoßen und sie hatte Schlimmes getan. Unter dem Einfluss des Bösen war sie hart geworden, hatte ihre Gefühle gestählt und die Kälte dieses Stahls als Waffe benutzt, um zu überleben.
    Ein Teil von ihr wusste, dass sich das Mädchen irrte, denn während sie ihre Kindheit überlebte, hatte sie verlernt, wie man lebt. Es war falsch gewesen, sich in dieser Weise zurückzuziehen, abgeschlossen in ihrer eigenen Welt, in der sie niemand erreichen konnte. Sie hatte immer angenommen, dass sie Stärke zeigen musste, damit sie die Jahre im Heim und später auf der Straße überstehen konnte. Die sinnlose Gewalt. Die Hoffnungslosigkeit.
    Doch gerade ihre Hoffnung hatte sie nie aufgegeben. Sie war der Fuß in der Tür zum Leben, die sich jeden Tag ein kleines Stückchen schloss. Bis zu jener Nacht, in der Wayne sie gefunden hatte. Danach konnte der Teil des Mädchens, der am Leben hing, sich in den Jahren mit ihrem Mentor erholen, wachsen.
    Das änderte sich, als er sie zwang, ihn zu verlassen, sie aus seinem Leben verbannte. Alte Wunden rissen auf und der Schmerz drängte das Mädchen zurück in die Kälte, in die Härte. In die Einsamkeit. Abermals wechselte sie in den vertrauten Überlebensmodus und zählte die Tage, bis sie zurück zu Wayne gehen und ihr altes Leben wieder aufnehmen konnten. Doch ausgerechnet bei seinem letzten Auftrag ging etwas schief. Gerade, als er nach zwanzig Jahren

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