Jane Christo - Blanche - 01
Banderole steht die Kontonummer der Banque Cantonale Vaudoise mit Sitz in Lausanne. Es läuft auf deinen Decknamen, das Passwort kennst nur du. Wayne sagte, es sei dein Taufname.“
Ein Konto in der Schweiz mit ihrem richtigen Vornamen als Passwort? Das erklärte dann wohl, warum er sie ausgerechnet in Lausanne ins Internat gesteckt hatte. So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Seinen Pflichtbesuch absolvieren und danach sein eidgenössisches Sparschwein füttern.
Was hatte er sonst noch alles hinter ihrem Rücken ausgeheckt? Ein ätzendes Brennen fraß sich durch ihre Magenwände. Lieber hätte sie auf diese Information samt den Moneten verzichtet, denn mittlerweile kam sie sich wie ein Zahnrad in Waynes Getriebe vor. Wie viele Neuigkeiten über ihn würde sie noch verkraften können?
Neben ihr räusperte sich Leo unbehaglich, dann stopfte er das Geld in die Außentasche ihrer schwarzen Wachsjacke. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass sie ihm das Bündel ins Gesicht schleudern würde.
„Hör mal, Mädchen, deswegen habe ich dich nicht hergebeten.“ Er rieb sich das Kinn und seufzte resigniert. „Enzo will dich in seinem Team haben.“
Sie schnaubte. Das glaubte sie gerne.
„Er hält sehr viel von dir und weiß, dass er dir etwas schuldet. Man kann von ihm halten, was man will, aber er bezahlt seine Außenstände.“
Sie sah auf und blickte ihn mit eisigen Augen an. „Ah ja? Und wie hat er dir Renées Verlust bezahlt? Mit einem miesen Job in einem seiner runtergekommenen Wettlokale mit Pissoirs an den Wänden? Und dann darfst du für ihn auch noch den Aufreißer spielen, der mich anwerben soll. Glaubst du, dass Renée sich das für dich gewünscht hätte?“ Mit ihrer Stimme hätte man Glas schneiden können, doch als sie seinen Ausdruck sah, senkte sie den Blick und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. Ihre Augen brannten, doch sie erlaubte sich keine Schwäche. Nicht hier. Nicht jetzt. „Ich kann nicht für Enzo arbeiten, dafür verachte ich ihn zu sehr.“
„Das verstehe ich, Mädchen, aber überleg es dir zumindest. Enzo will Zoey hinrichten, und zwar so, dass sein Inneres nach außen gestülpt wird, während er noch lebt und dabei zusehen kann.“
Ihre Blicke trafen sich. So etwas in der Art hatte ihr für Zoey ebenfalls vorgeschwebt, doch sie schwieg.
„Klingt nach einem Job für dich, Mädchen.“
Was wusste er schon. Sie war kein Schlächter. Wenn sie tötete, dann schnell und sauber. Außerdem war sie davon überzeugt, dass sich unter Enzos Männern genügend Arschlöcher befanden, die Zoey das Wasser reichen konnten. Man musste nur genau hinsehen und einen Blick in ihre gierigen Augen werfen. Vielleicht waren sie nicht so durchgeknallt wie der Todesengel – na gut, ganz sicher waren sie das nicht. Aber Zoey bildete keine Ausnahme. Er war ein ambitionierter Gauner, dem man Macht gegeben hatte, die er nun – Überraschung! – nach Herzenslust missbrauchte. Typen wie er und Enzo waren Narzissten. Selbstverliebte Machos, die alles und jeden kontrollieren wollten. Andere Menschen interessierten sie nur, wenn sie ihnen einen Nutzen brachten. Hätte sich Zoey auf Enzos Seite geschlagen, wären die beiden in diesem Augenblick ein Herz und eine Seele, bis sich Enzos Interessen änderten und Zoey ihm im Weg stehen würde. Das alles war ihr so zuwider, dass sie nicht genug essen konnte, wie sie kotzen wollte. Dennoch nickte sie und heuchelte Zustimmung. Es wäre nicht klug, Leo ihre Weisheiten um die Ohren zu hauen. Jetzt, da Renée tot war, wusste sie nicht, wo er stand und wem seine Loyalität galt. Und er hatte erst kürzlich jemanden verraten – seinen besten Freund.
„Ich werde es mir überlegen“, log sie und machte Anstalten, sich zu erheben. Leos große Hand legte sich behutsam auf ihre Schulter.
„Warte noch einen Augenblick, Blanche“, bat er mit leiser Stimme.
Verdutzt blickte sie zu ihm auf. Das war das erste Mal, dass er ihren Namen benutzte.
„Es ist in Ordnung, wenn du nicht für Enzo arbeiten willst, so oder so werde ich ihm sagen, dass du es dir durch den Kopf gehen lässt.“ Er zog seine Hand von ihrer Schulter und sah zu Boden. „Mir ist es egal, ob du Zoey auf eigene Rechnung erledigst, meinen Segen hast du.“ Er knetete seine Schaufelbaggerhände, während er nach den richtigen Worten suchte. „Ich möchte, dass du etwas weißt, aber mir ist klar, dass du mich danach hassen wirst. Mehr als jetzt, meine
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