Jane Christo - Blanche - 01
Teufel in besonders schlechter Stimmung, denn seine Vertragspartner haben ihm die Gefolgschaft gekündigt. Tchorts Familiares fühlen sich nicht mehr an die mit ihm besiegelten Pakte gebunden und tauchen unter oder wechseln die Seite. Aktuell kämpft Saetan an zahllosen Fronten, aber vor allem muss er seine verschollenen Dämonen wiederfinden, ansonsten könnte er Tausende von Seelen verlieren.“
Dämonen – Mehrzahl? Hatte es einen Massenausbruch aus der Hölle gegeben? „Es ist mir egal, ob er schwer zu töten ist. Wenn es sein muss, füttere ich ihn mit Granaten oder schieße ihm den Kopf ab. Das ist in jedem Fall tödlich – so oder so.“
„Dann wird Saetan hinter dir her sein.“
„Das ist mir scheißegal!“
Leo trat einen Schritt zurück und seufzte. „Also gut, Mädchen. Tu, was du tun musst, aber danach mach deinen Frieden. Ich lass dir Material in dein Hotel schicken, sag mir einfach, was du brauchst.“
Sie zögerte nicht, denn was Waffen anging, war Leo der Beste. „Ich will zwei SIG P226 mit auswechselbaren Leichtmetall-Griffstücken. Beide mit integrierter Picatinny-Schiene und Lasermodul. Außerdem brauche ich C4 Plastiksprengstoff und du – ähm – kommst nicht zufällig an eine Bazooka?“
Leo runzelte die Stirn. „Wenn es sein muss, kann ich dir ein Päckchen Plutonium besorgen, aber was in aller Welt willst du mit dem Ding? So etwas setzen wir nur dann ein, wenn wir eine Riesenschweinerei veranstalten wollen.“
Blanche verzog die Mundwinkel zu einem humorlosen Lächeln und schwieg.
Leo brummte etwas Unverständliches und murmelte schließlich: „Also gut, Mädchen, ich schick dir das Zeug nächste Woche ins Georg.“
Na toll, anscheinend wusste jetzt jeder, wo sie wohnte. Es wurde Zeit, umzuziehen. Sie nickte und wandte sich zur Tür. Als ihre Hand auf dem Knauf lag, hielt seine Stimme sie zurück.
„Blanche“, sagte er heiser. Sie verharrte reglos an der Tür. „Es tut mir leid.“
Mir auch, dachte sie und verließ das Gebäude, ohne sich noch einmal umzudrehen.
„
Als ich mich fand in einem dunklen Walde
.“
Feuer. Überall.
„
Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege
.“
Er brannte. Lichterloh.
„
Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald, der wildverwachsen war und voller Grauen
.“
Doch dies waren keine gewöhnlichen Flammen. Er verglühte von innen heraus, versengt von seinen eigenen Gedanken.
„
Und in Erinnerung schon die Furcht erneut: So schwer, dass Tod zu leiden wenig schlimmer
.“
Nein, nicht seinen Gedanken. Die Erinnerungen gehörten jemand anderem. Vielen anderen.
„
Als ich zuerst den wahren Weg verlassen. Das mir das Herz mit solcher Furcht befangen
.“
Schmerz, abgrundtiefer Schmerz durchbohrte ihn. Genau wie diese Stimmen. Nein, keine Stimmen. Gesang, vermischt mit Wehklagen, das wie ein Eispickel in sein Bewusstsein stach.
„
So wandte sich mein Geist, noch immer fliehend, zurück, um zu beschaun die dunkle Talschlucht
.“
Doch da war mehr, so viel mehr.
„
Die keinen, der drin weilt, lebendig ließ
.“
Angst und Schrecken. Wut und Trauer, von einer Intensität, die er nicht in Worte fassen konnte. Was hatte er angerichtet? Wie viele Kinder hatte er genommen? Familien zerstört, Freunde getrennt, Liebende entzweit. Leben vernichtet. Beliar schloss voller Abscheu die Augen, um die Bilder zurückliegenden Grauens aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Doch er war gefangen in seinem persönlichen Inferno, eingesperrt in einer Hölle, die er sich durch seine Taten erschaffen hatte. Jede Entscheidung, die er einmal getroffen hatte, wurde nun auf ihn zurückgeworfen und es gab nichts, nichts, nichts, das ihn daraus befreien konnte. Der ungefilterte Schmerz seiner Opfer verschlang ihn bei lebendigem Leib, fraß sich durch seine Eingeweide und verbrannte ihn von innen nach außen. Und so, wie es für seine Beute kein Entkommen gegeben hatte, war auch er auf sich allein gestellt. Eingesperrt mit Leid und Qualen, die er in einer Ära der Grausamkeit verursacht hatte, seit er in Saetans Diensten stand. Der einzige Anker, der ihn hielt, war ein blasses Gesicht inmitten der Finsternis. Blauviolette Augen, eingerahmt von schwarzem Haar und ein trotziger Mund, der ihm ein zaghaftes Lächeln schenkte. Das Antlitz einer Frau, die ihn verfolgte, seit er ihr das erste Mal begegnet war. Die er nicht mehr vergessen konnte. Für die er buchstäblich durch die Hölle ging, ohne zu wissen, was ihn am Ende des Weges erwartete. Ob er einen
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