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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Vorbedeutung von Kummer und Unglück für einen selbst oder die Angehörigen, wenn man von Kindern träume. Dieses Gespräch würde sich meinem Gedächtnis wahrscheinlich gar nicht eingeprägt haben, wenn nicht gleich darauf ein Umstand eingetreten wäre, der dazu angetan war, es für immer festzuhalten: Am nächsten Tag wurde Bessie nach Hause an das Totenbett ihrer jüngsten Schwester geholt.
    In letzter Zeit war mir jenes Gespräch zusammen mit dem darauffolgenden Zwischenfall oft wieder eingefallen. Denn während der letzten Woche war kaum eine Nacht hingegangen, in der mir nicht von einem Kind geträumt hätte. Zuweilen wiegte ich es in meinen Armen, dann wieder schaukelte ich es auf meinen Knien. Manchmal sah ich es auch auf einer Wiese mit Gänseblümchen spielen oder seine Hände in fließendes Wasser tauchen. In dieser Nacht war es ein weinendes Kind, in der nächsten ein lachendes; mal schmiegte es sich an mich, dann wieder floh es vor mir. Doch welche Stimmung die Erscheinung auch zur Schau tragen und welche Züge sie auch haben mochte – sie trat mir in sieben aufeinanderfolgenden Nächten entgegen, sobald ich die Grenze zum Land des Schlummers überschritten hatte.
    Mir gefiel diese stete Wiederkehr eines einzigen Gedankens nicht – diese seltsame Wiederholung des gleichen Bildes beunruhigte mich, und ich wurde nervös, wenn die Zeit des Schlafengehens näher kam und mit ihr die Stunde der Vision. Die Gesellschaft dieses Kinderphantoms war es gewesen, die mich in jener Mondscheinnacht geweckt hatte, als ich den Schrei hörte. Und am Nachmittag des folgenden Tages kam eine Dienerin mit der Botschaft zu mir, dass in Mrs. Fairfax’ Zimmer jemand sei, der mich zu sprechen wünsche. Als ich hinunterkam, fand ich einen Mann, derauf mich wartete. Er sah aus wie ein herrschaftlicher Kammerdiener, aber er war in Trauer gekleidet, und auch der Hut, welchen er in der Hand hielt, hatte einen Trauerflor.
    »Sie werden sich meiner kaum noch erinnern, Miss«, sagte er, indem er sich bei meinem Eintritt erhob, »aber mein Name ist Leaven. Als Sie vor acht oder neun Jahren in Gateshead waren, war ich Kutscher bei Mrs. Reed; ich bin auch jetzt noch in ihren Diensten.«
    »Oh, Robert, wie geht es Ihnen? Ich erinnere mich sehr wohl an Sie – Sie ließen mich manchmal auf Miss Georgianas braunem Pony reiten. Und wie geht es Bessie? Sie sind doch mit Bessie verheiratet?«
    »Ja, Miss. Meine Frau ist kerngesund, danke! Vor zwei Monaten hat sie mir noch mal was Kleines geschenkt – wir haben jetzt drei –, und Mutter und Kinder gedeihen gut.«
    »Und ist die Familie im Herrenhaus auch gesund, Robert?«
    »Es tut mir leid, Miss, dass ich Ihnen von dort keine besseren Nachrichten bringen kann, aber es geht ihnen augenblicklich sehr schlecht – sie haben großen Kummer.«
    »Ich hoffe, dass niemand von ihnen gestorben ist«, sagte ich, indem ich auf seinen schwarzen Anzug deutete. Auch er blickte auf den Krepp an seinem Hut und sagte:
    »Mr. John ist gestern vor acht Tagen in seiner Wohnung in London gestorben.«
    »Mr. John?«
    »Ja, Miss.«
    »Und wie trägt es seine Mutter?«
    »Nun sehen Sie, Miss Eyre, dies ist kein gewöhnliches Unglück, er hat ein gar wildes Leben geführt. Während der letzten drei Jahre hat er sonderbare Dinge getrieben – und sein Tod war fürchterlich.«
    »Ich hörte von Bessie, dass er kein ordentliches Leben führte.«
    »›Kein ordentliches Leben‹! Er hätte nichts Schlimmerestun können! Er hat seine Gesundheit und seine Güter in Gesellschaft der schlechtesten Männer und der schlimmsten Weiber zugrunde gerichtet. Er geriet in Schulden und kam ins Gefängnis. Zweimal hat seine Mutter ihm herausgeholfen, aber kaum war er frei, kehrte er auch schon wieder zu seinen alten Kumpanen und seinen alten Gewohnheiten zurück. Sein Kopf war nie besonders stark, wie Sie wohl wissen, und die Schurken, mit denen er sich abgab, betrogen ihn auf eine Weise, wie es mir noch nicht untergekommen ist. Vor ungefähr drei Wochen kam er nach Gateshead und verlangte von der Missis, dass sie ihm das ganze Besitztum übergeben solle. Die Missis weigerte sich: Durch seine Verschwendung waren ihre Mittel schon seit langer Zeit zusammengeschmolzen. So kehrte er denn wieder nach London zurück, und das Nächste, was wir von ihm hörten, war seine Todesnachricht. Wie er gestorben ist – weiß Gott! Es heißt, dass er sich umgebracht hat.«
    Ich schwieg. Das war eine entsetzliche Nachricht.
    Robert Leaven fuhr

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