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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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selbst umsehen müssen und sich selbst helfen. Welches sind denn nun deren Hilfsquellen?‹
    Ja, das wusste ich nicht, und niemand konnte mir antworten. Deshalb befahl ich meinem Verstand, eine Antwort zu finden, und zwar so schnell wie möglich. Die Gedanken überschlugen sich; ich fühlte den Puls in meinem Kopf und meinen Adern klopfen. Fast eine Stunde lang arbeitete es in mir, aber es war nur ein Chaos, und alle Anstrengungen hatten keinen Erfolg. Fieberhaft erregt durch das nutzlose Sinnieren erhob ich mich wieder und ging einige Male im Zimmer auf und ab, zog den Vorhang zurück, blickte hinauf zu den Sternen, zitterte vor Kälte und kroch wieder in mein Bett.
    Aber während meines Umherwanderns hatte wohl eine gütige Fee den erflehten Rat auf mein Kopfkissen gelegt, denn als ich lag, kam er ruhig und natürlich in meinen Sinn: ›Leute, welche Stellungen suchen, kündigen dies an; du musst es im »***shire Herald« ankündigen!‹
    ›Und wie? Ich weiß nichts über Zeitungsannoncen!‹
    Schnell und wie von selbst kamen die Antworten:
    ›Du musst eine Annonce und das Geld dafür an den Herausgeber der Zeitung schicken; bei der ersten Gelegenheit, die sich dir bietet, musst du die Sendung in Lowton auf die Post geben. Die Antwort muss an J. E. an das dortige Postamt geschickt werden. Eine Woche nachdem du deinen Brief abgesandt hast, kannst du hingehen und dich erkundigen, ob irgendeine Antwort eingetroffen ist. Dann hast du zu handeln.‹
    Zwei-, dreimal überdachte ich diesen Plan, dann hatte ich ihn genügsam verdaut und in eine klare, praktische Form gefasst. Nun war ich zufrieden und fiel in einen tiefen Schlaf.
    Mit Tagesanbruch war ich auf. Ehe noch die Glocke ertönte, welche die ganze Schule weckte, hatte ich meine Annonce geschrieben, ins Kuvert gesteckt und adressiert; sie lautete folgendermaßen:
    »Junge Dame, welche im Unterrichten geübt ist,« – war ich denn nicht zwei Jahre lang Lehrerin gewesen? – »wünscht eine Stellung in einer Familie zu finden, in der die Kinder unter vierzehn Jahren sind.« – Da ich selbst kaum achtzehn Jahre alt war, hielt ich es nicht für ratsam, die Erziehung von Schülern zu übernehmen, die in ähnlichem Alter waren wie ich. – »Sie ist befähigt, in den üblichen Fächern zu unterrichten, welche zu einer guten, englischen Erziehung gehören, ebenso im Französischen, im Zeichnen und in der Musik.« – In jenen Tagen, lieber Leser, wurde diese heute unzureichend kurz erscheinende Aufzählung für ausreichend und umfassend gehalten. – »Antworten an J. E., Post Lowton, ***shire.«
    Während des ganzen Tages lag dieses Dokument in meiner Schublade verschlossen. Nach dem Tee bat ich die neue Vorsteherin um die Erlaubnis, nach Lowton gehen zu dürfen, wo ich einige Besorgungen für mich und zwei meiner Mitlehrerinnen zu machen hatte. Die Erlaubnis wurde mir gern gewährt, und ich machte mich auf den Weg. Es waren zwei Meilen, und es war nass, aber noch waren die Tage lang. Ich besuchte zwei, drei Läden, warf meinen Brief in den Briefkasten und kam in strömendem Regen mit durchnässten Kleidern aber mit leichtem Herzen zurück.
    Die jetzt folgende Woche schien mir endlos lang. Wie alle Dinge dieser Welt nahm aber auch sie ein Ende, und an einem herrlichen Herbstabend befand ich mich abermals zu Fuß unterwegs nach Lowton. Nebenbei erwähnt, es war einmalerischer Weg, der an dem Waldbach und den herrlichsten Windungen des Tals entlangführte. An diesem Tag aber dachte ich nicht an die Reize von Berg und Tal, nur an die Briefe, die mich in dem kleinen Marktflecken erwarteten oder nicht erwarteten.
    Als Vorwand für diesen Weg wollte ich mir Maß zu einem Paar Schuhe nehmen lassen; folglich machte ich dieses Geschäft zuerst ab, und nachdem es erledigt war, ging ich aus dem Laden des Schuhmachers quer über die kleine, reinliche Straße in das Postbüro. Es wurde von einer alten Dame betrieben, die eine Hornbrille auf der Nase und schwarze, gestrickte Pulswärmer an den Händen trug.
    »Sind irgendwelche Briefe für J. E. angekommen?«, fragte ich.
    Sie blickte mich über ihre Brille hinweg an, dann öffnete sie eine Schublade und wühlte so lange in derselben umher, dass meine Hoffnung zu schwinden begann. Endlich, nachdem sie ein Dokument mindestens fünf Minuten lang vor ihre Augengläser gehalten hatte, reichte sie es mir durch den Postschalter hin, indem sie zugleich einen fragenden und misstrauischen Blick auf mich warf. Der Brief war tatsächlich an

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