Jane Reloaded - Roman
will dich auch wiedersehen. Und sie hebt – es ist fast ein Reflex – die rechte Hand zum Gruß. Als sie lächelt, ist er bereits verschwunden. Die Stelle, an der sein Finger vor wenigen Minuten ihre linke Wange berührt hat, scheint zu brennen wie ein kleines Feuermal.
Gregor Bao Li stürmt aus dem Nebenraum herein, beugt sich zu seiner Tochter hinunter und umarmt sie. »Mein mutiges Mädchen! Ich bin verdammt stolz auf dich!«
Tanja Jane hört das gedämpfte Klatschen seiner Mitarbeiter hinter der geöffneten Tür.
»Wieso mutig?«, fragt sie. »Er ist nicht gefährlich. Warum habt ihr abgebrochen?«
»So wie du gezittert hast, waren wir lieber vorsichtig. Er hat sich schließlich anders verhalten als sonst. Er hätte aggressiv werden können.«
»Es war falsch, dass ich geweint habe.« Sie schämt sich fast ein bisschen.
»Nein, im Gegenteil«, beschwichtigt ihr Vater sie. »Dadurch hat er Kontakt mit dir aufgenommen. Das ist das Beste, was passieren konnte!« Gregor richtet sich auf und schaut jetzt genauso auf sie herab wie kurz zuvor der Homo erectus.
»Heißt das, ich darf ihn wiedersehen und bin im Team?«, ruft Tanja Jane und springt auf.
Gregor nickt.
Die Anspannung fällt von ihr ab, und sie lächelt zurück, erleichtert, dass sie bleiben darf.
»Mutig wie Oma Jane«, flüstert Gregor nun so leise, dass die anderen es nicht hören können. »Und auch sie konnte schweigen, vergiss das nicht!«
Beide wissen, dass er sie nicht ganz freiwillig eingeladen hat. Sie hat ihn gezwungen, ein wenig erpresst, könnte man sagen. Nicht allein von seinen Gnaden ist sie hier, sondern weil sie es unbedingt wollte, und deshalb triumphiert sie innerlich. Sie messen sich nun mit Blicken wie zwei Kämpfer und Jane schaut Gregor herausfordernd an.
Denn sie ist Jane reloaded.
So nennt sie sich heimlich, weil sie sich dann stärker fühlt. Und weil sie die beste Jane von allen werden will. Sie reist ja auch nicht wie die anderen Klark-Frauen vor ihr nur in die Vergangenheit, sie macht sich auf in die Zukunft.
Und die Zukunft beginnt hier.
Im Laos-Labor.
2 LAOS-LABOR UND JANE V
Eigentlich ist mein ganzes Leben genau auf diesen Tag zugelaufen, auf diese erste Begegnung mit ihm. Deshalb bin ich vor vier Tagen um die halbe Erde und gen Osten geflogen.
In nur fünfzehn Stunden habe ich eine Strecke zurückgelegt, für die seine Art, unzählige Homo erectus- Generationen, Tausende von Jahren gebraucht haben. Ist das Fortschritt oder einfach nur verrückt? Diese Frage habe ich mir gestellt nach einer fast schlaflosen Nacht in dem engen Flugzeugsitz, als der Morgen endlich dämmerte.
Ich musste den Kopf nur hoch genug recken, die Stirn fest an das kalte Glas pressen und nach unten schielen, dann konnte ich die Küste des indischen Subkontinents ausmachen, weil er wie eine Speerspitze geformt ist. Ich liebe solche Blicke von oben auf die Erde, obwohl ich das Fliegen hasse. Die Landung ist das Allerschlimmste. Jedes Mal, wenn diese durchdringenden Befehle »Tische hochklappen« und »Lehnen senkrecht stellen« ertönen, werden meine Stirn schweißnass und die Hände eiskalt. Flugangst packt mich, weil ich radikal evolutionär denke: Der Homo sapiens hat sich das Fliegen zwar beigebracht und ist mit seinen intelligenten Hilfsmitteln schneller als ein Vogel und manchmal schneller als der Schall, aber Flügel sind ihm trotzdem noch keine gewachsen. Unsere Art gehört nun mal auf die Erde. Die Evolution hat es noch nicht geschafft, dass die Luft den Menschen Heimat geworden ist. Immer wieder stürzen wir aus dem Himmel herab und zerschellen. Aber um schnell ins Laos-Labor zu kommen, hatte ich keine andere Wahl gehabt.
Als ich endlich in Bangkok, einer der Hauptstädte von UNA, der United Nations of Asia, gelandet war, musste ich sogar noch in eine kleinere Maschine umsteigen, die mich in den Norden zum Drehkreuzflugplatz Golden Triangle brachte. Aber golden war hier nichts mehr, und nur der alte poetische Name verströmte noch etwas Glanz und erzählte von alten Zeiten, als hier der Gold und Geld bringende Schlafmohn angebaut und Opium geschmuggelt wurde. Selbst das berühmte Dreieck ist inzwischen beseitigt worden, das früher die Grenzen der drei Staaten Thailand, Myanmar und Laos formten, die sich inzwischen zu einem neuen Land zusammengeschlossen haben: Thaimyla. Das geschah vor fünfzig Jahren, als meine Mutter gerade geboren wurde und noch niemand an mich gedacht hat.
Den Namen Laos und das Wort Laos-Labor habe
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